taunusreiter TAUNUSREITER
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Juli 2014 (Review 2022)
 



Materialsammlung Distanzreiten/
In memoriam Tom Ivers (1944-2005)

Sattel
Gewidmet meiner Khorsheet, Bild 2014


DIE INNERE BAHN

Die Grundlagen der Fitness

- Tom Ivers -

 

TrailBlazer Mar/Apr 1997

Einige Distanzreiter nehmen den Wettkampf sehr ernst – andere nehmen nur teil, um dabeizusein. Das ist OK. Mein persönlicher Standpunkt ist, Distanzreiten ist Wettbewerb. Das heisst, Gewinnen – entsprechend den sportlichen Regeln – ist wichtig. Deshalb ist alles, was innerhalb der Regeln getan werden kann, um die Vorbereitung des Pferdes auf den Wettkampf zu verbessern, ein Schritt in die richtige Richtung. Einige Techniken, die Distanzreiten einfacher machen können, bedürfen einer genaueren Erklärung.

Ohne Training gibt es keinen Athleten. Training ist die Umformung von Körperstrukturen und –chemie um spezielle athletische Herausforderungen zu bewältigen. Einerseits sind die athletischen Anforderungen an das Distanzpferd sehr unterschiedlich von dem eines Rennpferdes oder eines Polo-Ponies. Andererseits sind die physiologischen Veränderungen, die wir versuchen beim Distanzpferd zu erreichen, und die Wege die wir gehen damit diese Veränderungen eintreten, bei allen Athleten – Menschen und Equiden – sehr ähnlich.

Acquisistion: Stress, Erholung, Reaktion, Überkompensation


Acquisition (wörtl. Erwerb) von Fitness kann auf eine Reihe von Arten gemessen werden, aber eine schnelle und einfache Art ist der Effizienzindex: Wieviel Strecke legt das Pferd pro Herzschlag zurück ? In einer gegebenen Gangart und einem bestimmten Belastungsbereich, in dem der Herzschlag genau der Leistung entspricht (hier: Galopp zwischen Puls 130 und 170) liefert dieser Index einen gut vergleichbaren Wert für ein bestimmtes Pferd in einem bestimmten Trainingszustand. Ein unfittes Pferd aus dem Paddock oder von der Weide – wenn es eine grosse Weide ist, legt dieses Pferd bei schönem Wetter 35 km pro Tag zurück – ist vielleicht fähig 6 Fuss (ca. 2 m; 1 ft= 30,48 cm) pro Herzschlag (ft/bt) zurückzulegen. Ein renntrainierter Vollblüter wird 14 ft/bt oder mehr schaffen. Dieses Tier hat 8 ft/bt athletischer Effizienz im Laufe seines Trainings acquiriert, bzw. hinzuerworben.

Wenn sein Stallkamerad den gleichen Trainingsprozess durchlaufen, aber nur 12 ft/bt im Effizienzindex erreicht hat, zeigt dieses Tier eine niedrigere Acquisitionsrate. Athleten mit hoher Acquisisitionsrate sind, was wir ”Naturathleten” nennen. Sie sind genetisch überlegen – oder zumindest haben sie ihr Leben mit dem Gebäude, den Hormonen und der inneren Einstellung begonnen, die ihnen erlaubt, mehr von jeder Trainingsherausforderung zu profitieren, vor die sie gestellt werden.

Die Idee des Trainings basiert auf der Tatsache, dass lebende Organismen auf körperliche Herausforderungen antworten durch Wiederaufbau, um der Herausforderung beim nächsten Mal besser widerstehen zu können. Wir konfrontieren es mit "Stress", und das verursacht mikroskopische Schäden. Wir geben dem Körper Zeit zur Erholung. Der Körper reagiert mit Reparatur und geht dann weiter, erhöht seine Bereitschaft zu einem Punkt der Überkompensation, wo die Herausforderung der letzten Woche heute nicht denselben Schaden verursachen wird.

Für das Pferd ist es eine Frage des Überlebens – oder war es einst: Das Pferd läuft einen Pfad entlang, ein Löwe springt aus dem Busch und hetzt das Pferd – das Pferd hängt den Löwen mit grosser Mühe ab, und kommt schwankend zum Halt, blasend wie eine Dampflok, die Muskeln zitternd vor Erschöpfung. Schädigung hat stattgefunden: Muskelzellen sind abgestorben, Kapillargefässe in der Lunge wurden herausgeblasen, Blutzellen zu hunderttausenden beschädigt, strukturelle Komponenten (Sehnen, Bänder, Gelenke, Knochen) wurden ärgstens beansprucht. Wenn nun ein anderer Löwe aus dem Busch springen würde, oder morgen, oder sogar am Tag darauf, würde das Pferd sehr wahrscheinlich in seinen Krallen sterben.

Aber der Körper des Pferdes geht unverzüglich ans Werk, alle beschädigten Systeme wieder und neu aufzubauen. In 4 oder 5 Tagen ist das Pferd nicht nur bereit für einen neuen Löwen, es ist bereit für einen schnelleren Löwen. Wenn Löwen aus dem Busch springen in regelmässigen Intervallen, vielleicht perfekt abgestimmt mit dem Punkt der Überkompensation des Pferdes während jedes Reaktionsprozesses, wird das Pferd befähigt, schneller und schnelleren Löwen zu begegnen – oder mehr von ihnen. An einem gewissen Punkt könntest Du das Pferd mit Löwen umgeben und es würde immer noch entkommen – und fähig sein 14 ft Grund zurückzulegen mit jedem Herzschlag.


Ansteigende Belastung


Nur, wenn das Pferd einem langsamen, dummen Löwen alle zwei Wochen mal begegnet, wird es niemals in der Lage sein, einem Rudel schneller junger Löwen wegzurennen. Das ist das ”Gesetz der ansteigenden Belastung” am Werk.
Erstens: Die Frequenz der Herausforderungen ist zu langsam. Zum Zeitpunkt wenn der nächste Löwe angreift, hat das Pferd den Punkt der Überkompensation überschritten und aktuell sogar etwas Kondition abgebaut.
Zweitens: Langsame und dumme Löwen mögen brauchbar sein am Start der Fitnesskurve, aber wenn das Pferd noch fitter werden soll, sind schnellere und schnellere Löwen, in regelmässigeren Intervallen vonnöten. ”Use it – or lose it!”

Was das im wirklichen Leben heisst, ist, wenn Du dieselbe Arbeitslast Woche für Woche wiederholst, kommst Du nirgendwohin soweit es Fitness betrifft. Ohne ansteigende Belastung gibt es keinen Verbesserung der Fitness. Dies ist vielleicht der Grund, warum man in der Wildnis manchmal Pferde im vollen Galopp rennen sieht, obwohl weit und breit niemand hinter ihnen herhetzt. Sie üben sich, bleiben fit.

Mitte der Achtziger hing ich eine Zeitlang mit Dr. John Boucher herum, der ein Forschungsprojekt zu Sichelzellenblutarmut machte und ein gutes Modell bei Pferden fand. Es schien dass einige Pferde eingedellte rote Blutzellen zeigten – Echinozyten ähnlich wie bei Sichelzellenblutarmut. John hatte ein Medikament das diese Krankheit verhindern oder heilen würde, dachte er.  An der Universität von PA, New Bolton Center, fanden wir einen Haufen Rennpferde mit eingedellten roten Blutzellen. Dann fuhren wir hinunter zum Marion Dupont Scott Center, um zu sehen ob wir Fred Fregin und seine Kohorten überreden konnten etwas Forschung zu sponsorn. Wir mussten ihnen ein paar eingedellte rote Blutzellen zeigen, gingen auf ihre Weiden und zogen ein paar Blutproben von Stuten und Fohlen. Wir fanden keine eingedellten Zellen. Warum? Weil, anders als die Rennpferde, die den ganzen Tag im Stall eingesperrt waren, die Pferde des MDS Centers den ganzen Tag draußen herumstreunten – kleine Geschwindigkeitsanfälle hin und wieder... Diese Anfälle veranlassen die Milz sich zusammenzuziehen und bis zu 50% der roten Blutzellen des Pferdes in die Blutbahn zu entlassen. Ein Rucksack voll Ausdauer ist in der Milz weggepackt, und wartet dass der Löwe aus dem Busch springt.

Hier ist der Knaller: Die Milz ist eine saure Umgebung. Boucher’s Theorie war, dass wenn die roten Blutzellen zu lange in der Milz eingeschlossen sind, ihre Proteinhülle denaturiert. Wie das Protein des Ei in der Bratpfanne denaturiert, wird deren Hülle hart, eingedellt. In der Wildnis passiert das nicht, weil die Pferde ihre Knochen hoch bekommen und alle paar Stunden herumrennen wie der Wind. Und nicht weggesperrt sind.

So wie wir über Trainingsprogramme und das Gesetz der ansteigenden Belastung denken, ist es offensichtlich, dass Steigerungen in der Übungs-Herausforderung innerhalb von 4-5 Tages-Perioden geschehen sollen. Und das heisst, keine Herausforderung darf so hart sein, dass sie mehr als 4-5 Tage Erholung benötigt. Es ist ein schrittweiser Prozess – scheibchenweise...


Spezifität  der Übung


Das Distanzpferd begegnet einer anderen Herausforderung als der Renn-Vollblüter. Das Vollblut entflieht vor Löwen – das Distanzpferd (in der Theorie) vor Hyänen und Wölfen. Anstatt eines 1-2-minütigen Ausbruchs aller Energien, muss sich das Distanzpferd recht flott über mehrere Stunden bewegen. Ein Vollblut mag Herzfrequenz-Spitzen um 220 bt/min bei seiner athletischen Prüfung haben, das Distanzpferd sieht selten Herzfrequenzen über 180.

Ein Vollblut wird für seine Vorwärtsbewegung auf Fast-Twitch (FT-) Muskelzellen setzen, das Distanzpferd eher auf Slow-Twitch (ST-) und Fast-Twitch High-Oxidative (FTH-) Muskelzellen. Das Vollblut läuft schnell über eine gut gepflegte, ebene weiche Oberfläche; das Distanzpferd trifft auf alle Sorten schwierigem Terrain – Terrain, das ein rennbahntrainiertes Vollblut an einem Nachmittag verkrüppeln würde...

Das Gesetz der Spezifität der Übung diktiert, dass die Herausforderung der im Wettbewerb begegnet werden soll, präzise in der Übung abgebildet werden soll. Keine Überraschungen! Du schwimmst nicht, um ein Läufer zu werden, oder fährst Roller-Skate um Turner zu werden. Die Distanzpferde-Prüfung ist Lange Langsame Strecken (LSD/ Long Slow Distance) über rauhes Terrain. Kurze Sprints auf dem Laufband sind offensichtlich nicht die Trainings-Lösung.


Trainingsspielplan – Beispiel


TrailBlazer Jul/Aug 1998


Ein wichtiges Gesetz bei der Gestaltung von Trainingsplänen heisst: Periodisierung. Das heisst, wenn das Pferd hart arbeitet, braucht es Erholungs-/ Reparaturzeit. Das heisst, 3-4 Tage Erholung (ruhige Arbeit) pro Woche, eine Erholungswoche pro Monat, und eventuell ein Erholungsquartal pro Jahr. Tatsächlich gestalten die meisten Leichtathleten ihr Trainingsprogramm wie eine Kurve: Von niedriger zu hoher Belastung, zu mittlerer, und wieder zu hoher, gefolgt von einem Auslaufen/Tapering (verringerter Trainingsumfang bei gleichbleibernder Intensität), und Wettkampfperiode. Dann beginnt der Zyklus von neuem.

Wie ich schon bemerkt habe, gibt es zwei Arbeitsprinzipien die Erholungsphasen erfordern: Arbeit mit hoher Intensität über kurze Distanzen zerstört Muskelzellen, beschädigt Bindegewebe und Knochen, und erzeugt Hitze, mit der der Körper lernen muss fertigzuwerden. Lange langsame Distanzen (LSD), ausgedehnt zu einem Zeitraum der einen Trainingseffekt erzeugt, verbraucht Muskel-Glycogen in einigen Zellen nahezu vollständig, und lässt einen Teil davon absterben. In beiden Typen von Übung ist der Flüssigkeitshaushalt gestört, und Hormone müssen gewaltig arbeiten um alle Systeme funktionierend zu halten.

Wenn Du einen Trainingsplan erstellst, beginne damit wo Du hinwillst. Dann arbeite Dich Trainingseinheit für Trainingseinheit bis dahin zurück, wo Du gegenwärtig stehst. Nehmen wir mal an, Du bist 6 Monate von einem 80km-Distanzritt entfernt, der auf einem Geläuf stattfindet das den Siegern erlaubt mit 20 km/h zu reiten. Eben jetzt ist Dein Pferd in der Lage, ”den ganzen Tag lang” mit 12 km/h zu gehen. Ist diese Differenz von 8 km/h in 6 Monaten Trainingszeit zu erreichen..? Einige von Euch mögen die Antwort wissen, aber ich nicht – speziell wenn man mit individuellen Pferden umgeht - Lasst uns sehen was passiert.

In den letzten drei Wochen vor dem Wettkampf, lässt Du auslaufen (tapering). Auslaufen bedeutet Verringern der KM-Leistung, etwa um die Hälfte, unter Beibehaltung der Intensität. Wenn Du während des härtesten Teils des Trainings jeden zweiten Tag 48km geritten bist (etwa 3 x 16km Intervalle bei 20 km/h), dann würdest Du – voll auslaufend, kurz vor dem Wettkampf – 3 x 8km mit 22-24 km/h liefern. Wenn Du auf dem Gipfel Deines Trainingsprotokolls zweimal pro Woche 32km geritten bist (2 x 16km Intervalle bei 20 km/h), dann würdest Du in den letzten Wochen vor dem Wettkampf zweimal pro Woche 2 x 8km mit 22-24 km/h liefern.

Wenn Dein Auslaufen drei Wochen dauert, arbeitest Du in der vierten Woche vor dem Wettkampf mit der Spitzen-Intensität (22 km/h oder schneller), und stellst Dein Volumen genau ein um sicherzustellen, dass das Tier sich rasch erholt; es gibt in diesem Modell keine Reserven für Übertrainung, das längere Erholzeiten erlaubt!

Das Hochleistungstraining, in dem es Dir gelingen muss, das Durchschnittstempo von 16 auf 20 km/h zu steigern, mag 6 Wochen dauern, während Du das Gesamtvolumen, dass Du in der ersten Trainingsphase aufgebaut hast, beibehältst. Beachte: Je höher die Geschwindigkeit, desto schwieriger ist es noch schneller zu werden – Geschwindigkeit kommt in kleineren Schüben in späteren Trainingsphasen.

Das sind etwas über 2 Monate. Es bleiben uns also etwas über 3 Monate, um das Pferd von 12 km/h auf 16 km/h zu bringen und alles was möglich ist zu tun, um das Gesamtvolumen zu erhöhen. Die Regel hier ist, immer nur eins zu erhöhen, also entweder Volumen oder Geschwindigkeit. Während Du trainierst, wirst Du vielleicht feststellen, dass pro Woche ein Tag mit höherem Tempo, und ein langsamerer Tag mit grösserem Volumen am besten ist. Oder aber eine Woche mit höherem Tempo, gefolgt von einer Woche mit grösserem Volumen, die beste Arbeits-/Erholungs-Bilanz bringt.

Lass uns annehmen, dieses Pferd, was den ”ganzen Tag lang” 12 km/h gehen kann, ist ein Pferd, das fähig ist, 32km über unterschiedliches Terrain mit einem Durchschnitt von 12 km/h, vielleicht in 2 x 16km – Intervallen. Wir haben 3 Monate um dieses Tier auf eine Fähigkeit von 48km mit 16 km/h (Steigerung sowohl im Tempo als auch im Trainingsvolumen) zu bekommen. Können wir das schaffen? -- Ich denke schon.

Wir reden über eine Steigerung von 1,5 km/h pro Monat in punkto Intensität, und ca. 5 km pro Monat in punkto Volumen – über 3 Monate. Das entspricht pro Woche 0,3 km/h Geschwindigkeit und 1,2 km Streckenlänge. Wenn man 2 anstrengende Traingseinheiten pro Woche zugrundelegt, kann man (wenn man mag) eine davon dem Tempo widmen, die andere der Geschwindigkeit; dies ist der einfachste Weg um Übergänge zu machen. Wenn Du versuchst mehr Geschwindigkeit zu machen, verkürze das Volumen kurzzeitig, und komme in der zweiten Trainingseinheit zur alten Streckenlänge zurück. In der nächsten Woche wird Deine leicht erhöhte Geschwindigkeit in der Volumen-Trainingseinheit sichtbar, während die Tempo-Trainingseinheit wiederum versucht die Geschwindigkeit bei leicht reduzierter Distanz zu erhöhen. Unterdessen klettert das Volumen, Stück für Stück, Woche pro Woche.

Ein anderer Ansatz bei 2 Trainingseinheiten ist die Gewinn/ Erhalten-Serie (Gain/ Sustain). Die erste Trainingseinheit sucht entweder an Tempo oder Streckenlänge zu gewinnen, zuzulegen. Die zweite Trainingseinheit (in der zweiten Wochenhälfte) erhält den Gewinn bei Erhöhung des Umfangs. Dann folgt eine weitere ”Gewinn”- Trainingseinheit. Ich persönlich ziehe es vor, Trainingswochen zum Gewinn von Tempo und von Streckenlänge voneinander zu trennen.

Bemerkung: Bergtraining ist gut, um Kraftausdauer und Hitzetoleranz zu steigern, und kann zwischen Volumen-Trainingseinheiten eingestreut werden. Du kannst damit die Tempotoleranz ganz gut verbessern, wenn Du willst, aber bedenke: Die Biomechanik von Bergtraining ist anders als in der Ebene. Man kann auch des Guten zuviel tun.

Ein anderer Punkt: ”Erholungstage” sind keine Stehtage. Wenn Du ein sehr aktives Pferd hast, mag ein Tag im Paddock OK sein, aber das Pferd muss mindestens 1/3 des Trainingsumfangs von ”harten Tagen” sehen, d.h. ein Pferd das 48 km gehen kann, sollte mindestens 16 km an ”Erholungstagen” sehen – oder eineinhalb Stunde in der Reitbahn o.ä. Ein Stehtag pro Woche ist normalerweise ausreichend bei zwei antrengenden Trainigseinheiten pro Woche.

Andererseits wird tägliche harte Arbeit den Trainingsfortschritt Deines Pferdes verlangsamen, die Reparaturenzyme und Hormone erschöpfen und eventuell zu progressiver Ermüdung führen. Obwohl die schnelleren Trainingseinheiten (mit kürzeren Distanzen) für ein paar Wochen gruppiert werden können (Cluster) – z.B. Trainingseinheit jeden zweiten Tag – um grössere Gewinne an Tempo zu machen, ist es gut möglich, dass diese Art von Plan ein nettes Distanzpferd verwandelt in einen unkontrollierbaren Godzilla.

Wie auch immer, wir haben jetzt einen Trainingsspielplan ausgelegt.  Für die ersten 15 Wochen erhöhen wir die Geschwindigkeit um 0,3 km/h pro Woche und die Streckenlänge um 1,2 km pro Woche. Für die folgenden 6 Wochen behalten wir die Streckenlänge bei und erhöhen die Geschwindigkeit um weitere 3-5 km/h. Während dieser Zeit musst Du eventuell die Distanz verkürzen um die anvisierte Geschwindigkeit erreichen zu können. Am Ende, 3 Wochen Auslaufen, und dann... der Wettkampf!

Warum gehen wir im Training schneller, als wir im Wettkampf wollen? Weil der Schlüssel zum Gewinnen und dabei Gesundbleiben ist, die Übung härter zu machen als den Wettbewerb! ”Train hard, win easy” - das Motto der kenianischen Langstreckenläufer! Wenn Du eine Reserve von 1-2 km/h bei einem Wettkampf hast, ist Raum sowohl für Irrtum als auch für all die Probleme die bei einem Distanzritt unerwartet auftauchen können (und auftreten werden).

Damit haben wir einen Makrozyklus für ein Pferd mit einem speziellen Satz von Fähigkeiten designed. Innerhalb dieses Makrozyklus gibt es wöchentliche Mikrozyklen (wechselweise harte Arbeit und Erholung). Wir haben ausserdem einen Mesozyklus festgelegt: Die Auslaufen-Phase. Sehr wahrscheinlich wird uns während des aktuellen Trainings das Pferd weitere Mesozyklen aufzwingen – d.h. der eine oder andere Schritt wird eine längere Erholungspause erfordern. Vielleicht werden wir jedem Monat eine Woche mit ruhiger Arbeit machen.

Das ist einfach gute horsemanship. Du setzt Dir ein Ziel, Du überlegst Dir den Weg zu diesem Ziel, und Du gehst mit dem Pferd diesen Weg. Beim kleinsten Anzeichen dass das Pferd sich quält, musst Du zurückschalten. Gute horsemanship sieht nach vorn durch das Auge des Pferdes, ändert den Spielplan – jeden Tag, wenn notwendig – um dem individuellen Pferd zu entsprechen. Je grösser die Arbeitsleistung, desto wahrscheinlicher ist, dass etwas dazwischenkommt. Dein Job als horseman ist es, die Strassensperre zu sehen und einen Weg herum zu finden – bevor sie ein unüberwindbares Hinderniss wird!

Die allerletzte Person, der ich ein wertvolles Pferd anvertrauen würde, wäre einem heutiger Viehzüchter oder einem Tierarzt frisch von der Universität, den Kopf voll mit den letzten Übungs- und  Fütterungsinformationen – wenn es solche Personen gäbe. Wissenschaftler um ein Pferd herum sind nahezu nutzlos. Bevor irgendeine Wissenschaft angewandt werden kann um Athleten aufzubauen, muss eine erweiterte Wachsamkeit da sein, die wir horsemanship nennen. Es ist eine traurige Wahrheit, dass der heutige horseman nicht sehr wissenschaftlich ist, aber die Fähigkeit Disaster vorherzusehen, die aus irgendeiner von unzähligen Richtungen kommen kann, ist eine absolute Voraussetzung, wenn wir daran gehen einen lebenden Organismsus nach unseren Vorstellungen umzuformen.

Und das ist eine grosse Portion was horsemanship ist: Vorhersehen von Disaster. Wenn wir Gott spielen, ist es unsere Pflicht, die Qualität und Länge des Lebens zu verbessern. Die Leute, die mit Pferden leben, nehmen diese Verantwortung als oberste Verpflichtung an, 7 Tage die Woche, 24 Stunden am Tag. Über die Jahre entwickeln sie einen Sinn für das Wohlsein Ihrer Tiere, ein Auge das Ärger am Horizont unverzüglich entdeckt. Weil wir Menschen sind (das heisst, fehlbar und dumm) entwickelt sich wahre horsemanship oft aus den Seelen toter Pferde. Als Pferdemensch/ Wissenschaftler ist es mein erstes Ziel beim Schreiben dieser Artikel, Dir zu helfen, zu vermeiden Dein Pferd umzubringen! Das zweite Ziel ist, im Wettkampf zu gewinnen. Wir wollen zuerst horseman, dann Wissenschaftler sein in dieser Diskussion.

Ich kann Dir sagen, dass eine Erholungs-Herzfrequenz nach einer Minute von 135 sagt “bitte nicht mehr”, eine von 105 erwarten lässt, dass das Pferd einige weitere Runden mit steigender Anforderung verträgt. Aber diese Information ist wertlos, wenn Du die Erholungs-Herzfrequenzen auf andere Weise misst als ich. Und wenn Du bei 40°C im Schatten arbeitest, kann die Erholungs-Herzfrequenz absolut unbedeutend sein im Vergleich zur ansteigenden Kerntemperatur. Ich kann über eine 3:00-Meile sprechen, aber das wäre bedeutungslos in praktischer Anwendung auf Dein Trainingsgelände.

Ich kann nicht sagen wie oft ich Rennpferdetrainer hatte mit einem Intervall-Trainingsplan der 3 x 1 Meile in 2:30, 2:20, 2:10 verlangte, eine Rennbahn mit 10 cm tiefen Schlamm – und die es versuchten! Kein horseman würde das tun, aber Gläubige tun es, wieder und immer wieder! Ich hatte einen Trainer (ein lizensierter Veterinär) der mir sagte er hätte mit "Intervalltraining" 56 Pferde verkrüppelt. Mir fiel kein geeigneter Name ein wie ich diesen Typ nennen konnte – ein Volltrottel und absoluter Idiot hätte die Nachricht begreifen müssen nach, na, 15 Krüppeln. Ein Vetiot müsste daher etwa 1/4 so helle sein, dachte ich dann - Diese Schätzung hat sich mit der Zeit als korrekt erwiesen...

Ein andermal rief mich ein Typ aus Colorado an, der mir sagte, dass er 5 Pferde hintereinander mit meinem Intervall-Trainingsprogramm verkrüppellt hätte, und ich abgeknallt gehörte... stellte sich heraus, dass Trainingseinheiten, die normale Churchill-Downs-Vollblüter mit einem Lächeln auf dem Gesicht schaffen, diese Colorado-Vollblüter auf ihren unbefestigten 500m-Bahnen flachgelegt hätten! Wenn Du ein Pferd mit 60 km/h siehst, das sich mit 45° in die Kurve legen muss um eine Wendung zu nehmen, sollte Dir Dein Gefühl sagen dass etwas nicht richtig ist, oder?? Dieser Typ war noch nicht mal ein Vet.

Der Punkt an dieser öden Leier ist: Was auch immer Du über angewandte Wissenschaft liest oder siehst, muss in den Zusammmenhang gebracht werden mit den spezifischen Bedingungen Deiner Umgebung. Der wichtigste Zusammenhang ist Dein Gefühl von “Richtig oder Falsch” als horseman, Dein Instinkt eine Katastrophe kommen zu sehen. Meiner ist so gut entwickelt, dass ich in einem Publikum von 200 Leuten die Person erkennen kann, die als erste ein Tier verletzen wird, mit den Informationen die ich so absondere...


Tom Ivers (1944-2005) war Trainer, Berater und leidenschaftlicher Verfechter moderner Trainings-, Fütterungs- und Medizintechniken im Rennpferde-Business seit zwanzig Jahren. Sein Buch ”The Fit Racehorse” (1983) schlug im etablierten US-Rennpferdegeschäft wie eine Bombe ein. Er war kritischer Beobachter der wissenschaftlichen Debatte und stets auf dem laufenden. Später war er auch als Berater für Distanztrainer auf der Arabischen Halbinsel engagiert.
Sein Ziel, den equiden Athleten leistungsfähig und gesund zu erhalten, kommt in seinen letzten Büchern ”The Fit Racehorse II” und ”The Bowed Tendon Book” (1994) – die auch im Bücherschrank des ernsthaften Distanzreiters nicht fehlen sollten – klar zum Ausdruck.



TrailBlazer Mag
              (1997) Trail
              Blazer Impressum

TrailBlazer Magazine erschien 6x im Jahr und war ein Magazin für Distanz-, CTR- und Wanderreiter aus den USA. 
Editor und Herausgeberin war Susan Gibson,
13.2.1951 - 08.08.2015.




DIE INNERE BAHN (II)

Was kann schiefgehen?

- Tom Ivers -

TrailBlazer Sep/Oct 1998

In einer Welt, in der kein Pferd annähernd an sein genetisches Potential herangebracht wird, gibt es eine Menge Raum für solche mit geringerem Potential, aber besserem Leistungstraining und besserer Ernährung, zu gewinnen : Im Distanzreiten ist dies die Ära des Trainers.

Verschleisserkrankungen sind das grösste Problem, das menschlichen oder equiden Ausdauersportler begegnet. Die Gewebe des Körpers können ihre Struktur ändern um sich an gleichmässig steigende Herausforderungen anzupassen. Damit dieser Anpassungsprozess stattfindet, müssen Mikroschäden auftreten, damit die Körperteile zu Reparatur und Überkompensation angeregt werden. Wenn die nächste Übung zu schnell angebracht wird, ist die Reparatur unvollständig, es gibt keine Überkompensation, sondern die Mikrotraumata summieren sich, und der Körper beginnt eine Abwärtsspirale in Richtung Fiasko; zumindest tritt der unerwünschte Zustand des "Übertrainings" ein, mit entsprechendem Leistungseinbruch.

Joe Vigil (Ph.D.) ist ein Leichtathletiktrainer, der viele nationale und internationale Champions in den letzten 30 Jahren produziert hat. 1995 schrieb er ein Buch (Road To The Top) wie er seine Läufer für die Wettbewerbe trainiert hat. Die weniger guten Marathonläufer liefen 725 km pro Monat, die besten 975 km. Dies würde beim Pferd 1.450 - 1.950 km im Monat, oder 45-65 km pro Tag, in Vorbereitung für 80 km- Distanzritte entsprechen (!!!)

Im Vergleich dazu lag sein Regime für 800m- Läufer bei 183 km pro Monat für das untere Ende, und 650 km für die älteren Eliteathleten. Das entspricht fürs Pferd 14 - 55 km pro Tag, 80 - 320 km pro Woche, mit größtenteils intensiver Belastung, in Vorbereitung zu einem Ereignis das kürzer dauert als 2 Minuten. In den USA wird der typische Vollblüter ca. 3 km am Tag im langsamen Tempo geübt, und alle 5 Tage ca. 1 Minute im schnellen Tempo trainert. Der typische Traber wird 6 - 10 km pro Tag geübt, davon in Geschwindigkeiten schneller als Jog ca. 14 Minuten pro Woche.

Wenn Dir Joe Vigils Idee vom Übungsvolumen für Ausdauersportler gefällt, bedenke dass seine Schützlinge 8 Jahre (!) gleichmässig steigender Belastungen benötigt, um diese Leistungen zu erreichen.

Kein Leichtathletiktrainer oder Leistungsphysiologe würde Vollblut- oder Standardbred- Übungsroutinen ”Konditionstraining” nennen. Anstelledessen würden sie Zusammenbruch vorhersagen wenn so schlecht vorbereitete Athleten in einen Wettkampf gehen. - Und in der Tat ist es genau das, was Vollblütern und Standardbreds passiert.

Distanzpferde sind eine andere Art von Athlet. Faktisch würden es einige vorziehen, Distanzpferde als eigene Spezies anzusehen, immun gegen alles Ungemach das Rennpferde plagt. Aber ein Leistungsphysiologe würde die Vorbereitungen der meisten Distanzpferde als ebenso unzureichend beurteilen. Es stimmt, dass die typischen Rennpferde-Probleme bei Distanzpferden nicht üblich sind, aber – genau wie menschliche 800m – Läufer anderen Herausforderungen gegenüberstehen als Marathoner – Distanzpferde sind die gleichen Lebewesen und gehen nur längere Wettkämpfe. Distanzpferde haben dieselben Knochen, Sehnen, Gelenke, Muskeln, Kreislauf- und Verdauungssystem wie Rennpferde. Und sie antworten auf Konditionstraining in exakt der gleichen Weise wie es Vollblüter, Standardbreds und Menschen tun.

Überlastungsschäden sind die häufigste Schwierigkeit, die menschliche oder equide Ausdauersportler treffen. Die Strukturen von Sehnen, Bänder, Gelenke, und Knochen erfordern eine Menge geregelte Arbeit über einen langen Zeitraum, um stark und dicht genug zu werden, um andauernden, geringgradigen, mechanischen Stress widerstehen zu können. Jede dieser Komponenten ist plastisch und kann ihre Struktur ändern, um gleichmässig ansteigende Anforderungen zuzulassen.

Der aufmerksame horseman wird Zeichen von chronischer Entzündung beobachten: Wärme, Schmerzhaftigkeit bei Berührung, geringe Schwellungen und Ödeme. Der Reiter wird Steifheit zu Beginn der Übung feststellen. Das sind die ersten Zeichen, dass der Reiter schneller oder weiter ist, als der Fitness-Level seines Pferdes erlaubt. Obwohl es das Ziel von Konditionstraining ist, die Übungen kontinuierlich zu erhöhen, ist es dann Zeit, zurückzustecken bis das Pferd Zeit hatte sich zu erholen.

Jedes Pferd hat seinen eigenen schwachen Punkt. Ab und zu wirst Du ein Pferd finden ohne Schwachpunkt, aber die sind eine echte Seltenheit. Beim Distanzpferd gibt es fünf primäre Bereiche für Überlastung: Hufe, Fesseln, Rücken, Sprunggelenke und Kniee. So wie ein Pilot die kritischen Systeme seines Flugzeugs vor dem Start checkt, befühlt der horseman jeden dieser Bereiche aufmerksam vor Beginn der Übung. Wenn ein Problem gefunden ist, steht eine Revision des Übungsplanes an. Man läuft immer auf dem Drahtseil zwischen gesunder, biopositiver Übung, und zuviel, d.h. mehr Schaden als in den Erholungsphasen ausgeglichen werden kann.

Tierärztliche Behandlung an dieser Stelle ist üblicherweise nicht die Lösung. Obwohl meistens ein paar Ursachen für das Problem an der Hand sind (wie Übertraining, Beschlag, Sattel, ungenügende Ernährung, rauhes oder hartes Geläuf, oder bestimmte Defizite in Haltung und Pflege grundsätzlicher Art) führt Attacke der Symptome mit Mittelchen, Massage, Akkupunktur, TENS, Medikamenten oder anderen Therapien eher zum Maskieren der grundlegenden Ursachen und verschäft das Problem.

Ein paar Sachen kannst Du nicht ändern: krumme Beine, z.B. Das Tier mit schlechtem Gebäude kann eventuell ein guter Athlet werden, aber auf seinen schwacher Punkt muss der Reiter stets Rücksicht nehmen, um Schäden zu vermeiden. Das Pferd mit Atmungs- oder Luftwegeproblemen zeigt eingeschränkte Leistung während des ganzen Trainingsprozesses. Das Pferd mit alten, ”harten” Verletzungen wird Dich wahrscheinlich immer und immer wieder an den Schaden erinnern.

Trotz alldem, kann Zeit und Training die meisten, wenn nicht alle diese Überlastungs-Anzeichen überwinden. Wenn eine aktuelle Lahmheit auftritt, ist es jedoch Zeit für eine vollständige Diagnose gefolgt von geeigneter Behandlung – bei gleichzeitiger Eliminierung der verursachenden Triebkraft. Du willst keine Schäden; während der Wiederherstellung verliert das Pferd Fitness und Härte. Ruhezeit bedeutet, Tying-up kann auftreten, und Kolik sein hässliches Haupt erheben.

Unregelmässige Lahmheiten ist ebenso Grund zur Besorgnis als wenn diese jeden Tag vorhanden ist – und schwieriger zu diagnostizieren. Die meisten unregelmässigen Lahmheiten betreffen den Huf, und dies ist die erste Stellen wo man suchen muss. Huflederhautentzündung, Steingallen, Eckstrebenbrüche, Nageldrücke, schlechte Blutzirkulation (ungenügende Trachten), Wandschäden entlang der weissen Linie, Strahlfäule – all dies und mehr kann unregelmässige Lahmheiten verursachen, und das meiste kann zu schweren Konsequenzen führen wenn nicht behandelt.

Wenn das Pferd in einem Gelenk oder Sehne/ Band lahm ist, hast Du ein ernstes Problem. Eine Menge Knorpel kann bereits zerstört sein bevor ein Pferd Schmerzen in einem Gelenk verspürt. Wenn Du soweit kommst mit einer Gelenksverletzung, hast Du entweder nicht aufgepasst, oder ein dramatischer Fehltritt verlangt seinen Tribut. Wahrscheinlich ist es eine gute Idee GAG’s während harter Trainings- und Wettkampfphasen zu füttern, aber wenn eine Gelenksverletzung auftritt, dürfte tierärztliche Intervention die einzige Lösung sein.

Verletzte Sehnen und Bänder sind ebenfalls überaus ernst, meist hervorgebracht durch ungeeigneten Beschlag (lange Zehe), Einhauen, zu unebenes Geläuf zu früh – oder entweder zu schnell, oder zu weit zu früh. Oft zeigt ein Pferd selbst mit saftigem Sehnenschaden keine Lahmheit – das ist der Sinn der täglichen Palpation der Röhrbeine. Egal wie der Sehnenschaden entstanden ist – Du hast das Schlimmste anzunehmen, bis das Gegenteil durch eine Ultraschall-Untersuchung erwiesen ist.

Das Pferd im harten Trainingsprozess wird ein geschwächtes Immunsystem haben, mit einem Tiefpunkt ein paar Stunden nach einem harten Trainingsritt. Als prophylaktische Massnahme solltest Du immunsystem-stimulierende Zusatzstoffe füttern während harter Trainingsphasen.

Es gibt ein Konzept mit dem Namen Lahmheitsintervention, von dem ich wünsche dass es bei Rennpferden angewandt würde. Du siehst ein Problem kommen, Du stoppst, diagnostizierst, eliminierst die Ursache, behandelst das Problem. Wenn es geheilt ist, gehst Du zurück an die Arbeit. Im Pferderenngeschäft vertrauen die Trainer auf Veterinärmedizin um das Pferd zu ”normalisieren”, damit es noch einen weiteren Samstag rennen kann. Das ist reiner Schwachsinn, und etwas das Distanzreiter hoffentlich auch künftig vermeiden können.

Der Verdauungstrakt des Pferdes kann problematisch und schwierig sein. Obwohl er sich an fast jeder Art von Ration die in kleinen Mengen häufig gefüttert wird, gewöhnen lässt, kann es bis zu 21 Tagen erfordern kleine Anpassungen vorzunehmen. Wenn Du feststellst dass Dein Pferd Gewicht verliert, kannst Du nicht einen Haufen Getreide mehr hinschütten – Du musst es über einen Zeitraum von ein paar Wochen einführen. Wenn Dein Pferd seinen Bauch verliert, solltest Du Probiotics füttern und feststellen, ob ein Teil der Ration die Ursache (des Absterbens der Darmflora, Anm.d.Ü.) ist oder Überhitzung bei anstrengender Übung. Am Gipfel des Trainings- und Wettkampfprozesses solltest Du ebenfalls Probiotics füttern.


Laktat – Feind Nr. 1 ?


TrailBlazer Jul/ Aug 1997  (Basic Fitness - Teil 3)

 ”Erschöpfung macht Feiglinge aus uns allen” predigte Vince Lombardi seinen Football-Spielern wenn er sie in seinen zermürbenden, quälenden Übungsroutinen, die aus ihnen Champions machen sollten, blamieren wollte. Was er meinte, war, dass Erschöpfung den Mutigsten von uns als Feigling erscheinen lässt. Es ist nicht so, dass wir nicht weiter gehen, weiter kämpfen wollen; es sind nur die Muskeln die nicht mehr arbeiten. Und wenn Muskeln versagen bei Pferden, passieren alle Sorten hässlichster Sachen. Nicht allein dass Du den Wettkampf verlierst – Du kannst mit einer karriere-beendenden Verletzung heimkommen.

Wenn Erschöpfung das Kapitalverbrechen beim Athleten ist, dann war Laktatsäure immer öffentlicher Feind Nr.1. Für mehrere Jahrzehnte hatte jeder menschliche Athlet einen Horror vor Laktatsäure-Anhäufung und dessen unangenehmen Konsequenzen. In dieser Beziehung ist ”ein bisschen Wissen gefährlich”. Ich habe meine ganze Karriere nach Wegen gesucht Laktatsäure zu besiegen. Ich habe einige Bücher und viele Artikel zu dem Thema geschrieben. Und nun musste ich ziemlich spät in meinem Leben lernen, dass Laktatsäure nur eine kleine Rolle, wenn überhaupt, bei der Entwicklung von Erschöpfung beim Athleten spielt.

Du wirst Dich an die Zeit erinnern als alle dachten dass Laktatsäure die Ursache von Tying-up bei Pferden ist. Es steckte eine "knieebrechende" Logik dahinter: Das Pferd ist gelähmt mit Muskeltetanie, und sieh! Sieh die Laktatwerte – bis zum Dach: Laktatsäure muss die Ursache des Tying-up sein! Es stellte sich heraus, dass die Laktatsäure-Anhäufung ein Resultat, nicht die Ursache des Tying-up ist. Ein gleichzeitiges Ereignis. Und das scheint auch die Art zu sein, wie es sich mit Laktatsäure und Erschöpfung verhält – speziell bei Pferden.

Die letzten Studien in menschlichen Athleten haben die Rolle der Laktatsäure in Erschöpfung reduziert, und andere wichtige Faktoren, wie hohe Muskeltemperaturen, Mangel an Substraten (Muskel-Nährstoffen), und chemische Ungleichgewichte als signifikantere Ursachen genannt. Obwohl beim  Menschen ein niedrigerer Blut-pH die Geschwindigkeit verlangsamt in der Sauerstoff vom Hämoglobin der roten Blutzellen entlassen und von den Muskelzellen aufgenommen wird. Das trifft bei Pferden nicht zu. Damit ist der Aufbau von Laktatsäure für das Pferd weniger bedeutend als für den Menschen.

Als diese Art von Information in meinem monatlichen wissenschaftlichen Newsletter ankam, wurde ich als Berater zu einem Vollbüter namens Acey Mack gerufen, der schlecht lief. Mack lief 6 Furlongs (=1200m) und kam Mal für Mal in Front oder nahe der Front um die Wende, nur um dann downstretch zu stoppen als ob ihn jemand in den Kopf getroffen hätte. Er liess zu schnell nach. Ein Aufgeber. Ein Feigling, nach Lombardis Definition.

Wir untersuchten ihn von Kopf bis Fuss, mit Infrarot-Thermographie als Basistechnologie. Nichts. Wir machten Post-Race-Bluttests, aber sie waren normal: 22 mmol Laktatsäure, 350 CPK. Das einzige was ich sehen konnte, war dass Mack ein bisschen dünn war – wie die meisten Renn-Vollbüter. Eine Fixierung auf das Gewicht im Vollblutbusiness lässt Pferdeleute glauben, dass Dünnheit Göttlichkeit, und Muskelmasse die Inkarnation des Leibhaftigen ist.

Mack’s einziger physiologischer Fehler schien mir die schwachen Glycogenspeicher in der Muskulatur zu sein. Seine ausgewrungenen Muskeln trugen nicht viel Muskel-Nährstoffe. In der Sattelkammer lag ein Beutel Puder den mir jemand von San Diego geschickt hatte, um zu sehen ob man es als täglichen Energielieferanten nutzen konnte. Die Grundlage war Zucker, Chrom und mittelkettige Triglyceride (Einfach-Fette). Wir gaben ihm für 3 Tage 3x am Tag 120g von diesem Zeug, und am Renntag, eine Dosis morgens und zwei Stunden vor dem Rennen. Mack wurde Zweiter mit einer Nasenlänge – um 16 Längen verbessert. Nächstes Rennen, gleiches Resultat. Dann gewann er 5 Rennen.

Immer noch neugierig, nahmen wir nach einem der Siege einen Bluttest. CPK war runter auf 250, Laktat war hochgeklettert auf 35 mmol. Und er hatte gewonnen! Mit 22 mmol verlor er, mit 35 mmol gewann er – stell Dir vor! Nun, wir stellten es uns vor, und mitten in all unseren Vorstellungen, erschien ein anderes Papier in meiner Datenbank das sagte, dass Rennpferde die gewinnen höhere Post-Race-Blutlaktatwerte haben als solche die verlieren. Nun, nachdem tausende Vollblüter, Standardbreds, Chaser und Quarter Horses mit Equine Racing Fuel (einer der Glycogenloader den meine Firma herstellt) gelaufen sind und Millionen Dollar verdient haben, kamen all meine Vorstellungen zu folgenden Ergebnis: Laktatsäure kann so schädlich nicht sein.

Nun lasst uns einen Blick auf Laktatsäure bei Distanzpferden werfen. Einer der Ansätze zum Hochleistungstraining den ich empfehle ist Trainingseinheiten mit hoher Intensität, d.h. mit Herzfrequenzen die 200 bt/min erreichen oder gelegentlich sogar übersteigen können. Das wird jeden zu Tode erschrecken. Schlimmer noch, ich sage das Pferde die auf diese Weise trainiert sind, sicherer bei hohen Herzfrequenzen im Wettkampf gehen können – solange deren Muskel-Nährstoff-Bedürfnisse geflissentlich beachtet werden.

Grundsätzlich war Laktatsäure-Anhäufung bei Distanzpferden nie ein Problem. Eher im Gegenteil: Verschiedene andere Probleme tragen zu Erschöpfung bei Distanzpferden bei, z.B. Alkalose, Dehydration (und Elektrolytmangel), Ketose, Muskelnährstoffmangel, und andauernde hohe Körpertemperatur (Ursache von Alkalose, Dehydration und Muskelerschöpfung). Wenn Du nie wieder über Laktatsäure nachdenkst, ist Dein Distanzpferd wahrscheinlich besser dran. Lasst uns also Laktatsäure vergessen und uns den anderen Problemen widmen.

Alkalose entsteht aus der umgekehrten Richtung wie Acidose. Anstelle hochintensiver, laktatsäure-erzeugender Arbeit liefert das Distanzpferd kontinuierliche, wenig intensive Arbeit. Es leidet nie an Acidose (niedriger Blut-pH). Aber wenn die Körpertemperatur an einem heissen Tag steigt, steigt seine Atmungsfrequenz bei dem Versuch die überschüssige Wärme auszublasen. Wenn Du sehr schnell 10 tiefe Atemzüge machst, weißt Du wie sich das anfühlt – man merkt den Unterschied sofort. Wenn die Hyperventilation fortgesetzt wird, fängt es an ungesund zu werden – Alkalose.

An einem kalten Tag ist es leicht zu sehen wieviel Wasser ein hart arbeitendes Pferd verliert – es wird zu einer Dampfwolke. Es verliert nicht nur Wasser durch die Nüstern wenn es atmet sondern der ganze Körper verdunstet Wasser und strahlt Wärme ab, und verliert kostbare Salze, solange die Körpertemper erhöht ist. An einem heissen und/oder feuchten Tag kann man den Dampf nicht sehen, aber was man sieht ist das Wasser das vom Bauch heruntertropft. Tatsächlich muss das Pferd umso mehr Wasser verdunsten, je heisser und feuchter die Umgebungsluft ist, um seinen Körper zu kühlen (Anmerk.d.Ü.). Dieses Wasser, und sein Salzgehalt, muss ersetzt werden: Distanzpferd brauchen die equide Version von Gatorade. Tatsächlich wäre Gatorade gar kein schlechte Idee...

Erinnert Ihr Euch an Dr. Stillman’s Quick Weight Loss Diet ? Keine Kohlenhydrate – nur Steaks, Eier und Wasser. Du verlierst enorm schnell an Gewicht – und wirst ketotisch. Das erste Zeichen von Ketose ist ein metallischer Geschmack im Mund. Eins der ersten Zeichen von Ketose beim Pferd ist ein metallisch riechender Atem. Ketose entsteht durch Fettverbrennung anstatt Kohlenhydrate-Verbrennung. Dr. Stillman’s Diät lässt den Körper Fett (und Eiweiss) verbrennen anstelle von Kohlenhydraten, weil keine Kohlenhydrate mehr da sind. Wenn Du Deinem Distanzpferd eine Menge Fett fütterst und zuwenig Kohlenhydrate, läufst Du an einem gewissen Punkt in Ketose. Mach weiter und der nächste Schritt ist Tod...

Obwohl hohe Körpertemperaturen allein viele der Probleme verursachen kann die wir hier diskutiert haben, kann Hitze allein dem Pferd Schwierigkeiten machen. Die Muskelfunktion ist verschlechtert bei hohen Muskeltemperaturen, und Hitzschlag ist nicht unüblich bei Pferden, die längere Zeit in heissen und feuchten Umgebungen arbeiten. Die Veterinäre der Weltreiterspiele in Atlanta (1996) taten einen hervorragenden Job, hitzebezogene Unpäßlichkeiten bei den Pferden zu vermeiden. Der wichtigste Gedanke war die Körpertemperatur mittels Kaltvernebelungs- und Ventilatorsystemen unter Kontrolle zu halten.

Muskelnährstoff-Verzehr ist als ob der Sprit alle ist. Der wichtigste Muskel- und einzige Gehirn-Treibstoff ist Kohlenhydrate, in Form von Blutglucose und Muskelglycogen. Andere mögliche Nährstoffe sind Fette und Proteine, aber sie können ohne vorhandenes Glycogen nicht verbraucht werden. “Fett und Protein brennen in der Flamme aus Glycogen” sagen die Übungssphysiologen. Tasächlich trägt Protein nicht viel zur Muskelenergieversorgung bei Wettkämpfen bei. Wir hier reden hier darüber, ob Fett oder Kohlenhydrate der bevorzugte Nährstoff für athletische Wettbewerbe ist. Unter Pferdephysiologen geht darüber gerade eine grosse Kontroverse.

Fett enthält im Vergleich zu Kohlenhydraten eine grosse Menge gespeicherte Energie. Einige würden Euch glauben lassen dass Ihr fast das Getreide weglassen könnt wenn Ihr nur genügend Fett füttert, aber dem ist nicht so. Marathonläufer und Triathleten, lange Zeit Gläubige der Fetteinnahme, ändern langsam ihre Einstellung – und nicht weil sie sich Sorgen machen um verstopfte Arterien. Sondern es ist die Leistung, oder Mangel davon, das die Bedenken dieser Athleten begründet. Jeden Monat gehen neue Papiere in meine Datenbank ein, die die Bedutung von Fett als sinnvolle Nährquelle für menschliche Athleten herunterspielen. In der Zwischenzeit kauen unsere Pferdeforscher noch daran. Gib Ihnen 10 Jahre und sie kommen nach...

 

Abenteuer in Sachen Fütterung


TrailBlazer Jan/Feb 1999

Grundsätzlich ist Distanzreiten Wettkampf nach Zeit. Wenn Du wirklich gut sein willst im Distanzreiten, willst Du vor der Menge ankommen (oder Du willst mit größerer Sicherheit, und ohne Va-Banque zu spielen ankommen). Wenn Du die Gesellschaft der Menge liebst, vermeide Neues auszuprobieren.

Dr.Linus Pauling fand einige sehr günstige Resultate in Fütterung von Vitamin C in Dosierungen über den empfohlenen Mindestwerten. Für Jahrzehnte versuchten die Häuptlinge der Ernährungswissenschaft Dr. Pauling wie einen Idioten aussehen zu lassen, werteten seine klinischen Tests ab und beklagten dass Vitamin-Ergänzung über dem offiziell empfohlenen Level nur mehr Urin produzieren würde. Dieser Refrain kann noch heute gehört werden, speziell bei Pferdefütterungs-”Experten”.

Als orale GAG’s (Glycosaminoglycane, Chrondroitinsulfat, Glycosaminsulfat) auf dem Markt erschienen, fand dieselbe Gruppe Der Zum Schutz Der Vergangenheit Bestallten ein dutzend Gründe warum sie unmöglich funktionieren konnten. Unglücklicherweise für die Häutlinge, funktionierten GAG’s – nicht so gut wie injizierte GAG’s (Adequan) aber gut genug als nützliche Prophylaxe um Gelenkverletzungen zu vermeiden und als Nachbehandlung für eher aggressive Behandlungen bei Gelenksverletzungen.

Etwas ähnliches geschah mit Natriumbicarbonat-Zufütterung bei Rennpferden. Die Idee dahinter war, den Blut-pH-Wert vor dem Rennen vorübergehend zu steigern so dass die Wasserstoff-Ionen der entstehenden Laktatsäure gepuffert werden konnten. Die Häuptlinge sagten ”Milchshakes” könnten nicht funktionieren. Dummerweise für sie, tun sie es doch – und zwar gewaltig.

Nun schreiben dieselben Häuptlinge Papiere, die zeigen warum Natriumbicarbonat verboten werden soll weil es einen unfairen Vorteil verschafft. Natürlich halfen die Rennbahn-Tierärzte nicht der Ursache der Blutpufferung ab mit dem Eintrichtern riesiger Mengen Milchshake-Gebräus – in ihrer typischen Art Fliegen zu schlagen mit dem Vorschlaghammer. Natriumbicarbonat und Zucker sind aber beide günstig für Rennpferde, besonders bei mässiger Verabreichung binnen 4 Tagen vor dem Wettkampf.

Natriumbicarbonat ist indes nicht sinnvoll bei Distanzpferden, weil niedriger Blut-pH (und Acidose, Anm. d.Ü.) kein Grund zur Besorgnis darstellt – tatsächlich ist im Gegenteil eher Alkalose ein Problem. Und eine 4-Tages-Ladung Zucker/ Chrom kann ein Tier produzieren dass am Start eines Distanzritts sehr schwer zu kontrollieren ist. Dennoch haben diese Nährstoffe, entsprechend der empfohlenen Mengen gefüttert, klare Vorteile unter den richtigen Umständen. Natürlich kann zuviel des Guten, oder ein plötzlicher Wechsel in der Diät, Ärger verursachen. Deshalb kann die Fütterungspolizei in dieser Selbstgerechtigkeit reden wenn etwas jenseits deren Vorschriften gefüttert wird.

Der Unterschied im Blickwinkel von Forschern und Trainern im Feld liegt in unserer Gesellschaft. Des Forschers Job ist es, Fördergelder zu bekommen, wissenschaftliche Artikel zu schreiben, und noch grössere Fördergelder zu bekommen. Die besten von ihnen verbringen den grössten Teil ihrer Zeit damit, Forschungsgelder zu sammeln, während die unteren Chargen die eigentliche Arbeit tun. Zum größten Teil brauchen Forscher Fragen, nicht Antworten. Und die Leute die direkt mit Pferden umgehen brauchen Antworten, nicht Fragen -- und müssen sie deshalb selbst ausgraben.

Eine der klugen Bemerkungen von Forschern ist: ”Daten ist nicht der Plural von Anekdoten”. Das heisst, Erfahrungsberichte von Pferdeleuten sind nicht Wissenschaft – nur Geschichten. Trotzdem entstammen viele der grössten Entdeckungen von ”Einer-Ratte-Experimenten”. Angewandte Wissenschaft konzentriert sich ganz auf die Lösung eines bestimmten Problems und sucht oft in unerforschten Richtungen. Feldforschung findet statt wo der Huf die sandige Bahn trifft – nicht im Pubmed oder Medline.

So fand letzten Monat (in der Internet-Distanzreiter-Discussiongroup Ridecamp, Anm.d.Ü.) eine kleine Schlacht statt, meine Aussagen betreffend dass Carbo-Charge, Heavy-Weight-Gainer, oder andere Glycogen-Loading-Produkte, in einer Dosierung von ca. 60g alle zwei Stunden während eines Distanzrittes, nach den Erfahrungsberichten von ca. einem Dutzend Reiter die es ausprobiert haben, gute bis excellente Resultate liefert. Faktisch haben sie das Protokoll entwickelt.

Die Häuptlinge sagten Tod voraus – und tun es noch. Dummerweise - für das Pferdeernährungs-Forschungs-Establishment - liefert Kohlenhydrate-Aufnahme während des Rittes, speziell in konzentrierter Form, bessere, sicherere Leistung zusammen mit guten VetCheck-Ergebnissen. Wir warten immer noch auf das erste kohlenhydrat-gefütterte Pferd da in eine der Schwierigkeiten gerät, die von denen vorhergesagt werden, die es nie ausprobiert haben. Der Punkt ist der: Es funktioniert. Es ist real.

Warum? Man kann annehmen, dass die meisten Tester von Carbo-Charger bereits eine ballaststoff- (rauhfaser-) reiche und fettergänzte Diät gefüttert haben, wie sie für Distanzpferde empfohlen wird. Die Idee ist den Körper dazu zu bringen, Fett als primären Treibstoff zu verbrennen; Rauhfaser wird im letzten Darmabschnitt verdaut um freie Fettsäuren zu produzieren. Aber die kleinen periodischen Kohlenhydrat-Fütterungen machen einen bemerkenswerten Unterschied. Das sagt mir, dass die optimale Diät noch verbesserungsfähig ist. Kohlenhydrate scheinen eine wichtige Rolle im Leistungsvermögen und Gesundheit der Distanzpferde zu spielen. Ergänze Elektrolyte und Du hast Gatorade für Pferde.

Nun stelle ich mich auf die Zehenspitzen und erzähle Dir von einem anderen Ernährungseingriff bei Pferden, der funktioniert obwohl er niemals erforscht wurde: Echinacea. Diese Pflanze ist gutbekannt in der menschlichen Forschung als Immunstimulans. Bei Rennpferden jedoch benutzten wir sie anders: Um Erkältungssymptome zu bekämpfen. Wenn Du die nächsten Tage ein schweres Trainingsprogramm vorhast, Dein Pferd heute aber Nasenfluss, Stirnhöhlen- oder Luftwegeverstopfung zeigt, ist Echinacea die temporäre Lösung.

Die nächste grosse Revolution in Leistungspferdeernährung kommt  wahrscheinlich mit Protein. Das heisst, in deren Aminosäuren-Zusammensetzung. Derzeit füttern die meisten Sojabohnen als primäre Proteinquelle. Sojabohnen sind reich an Lysin und relativ arm an Methionin. Beide sind bekannt als ”limitierende” Aminosäuren, d.h. wenn sie nicht vorhanden sind, sind die Fähigkeiten aller anderen Aminosäuren eingeschränkt. Taurin ist eine andere Aminosäure die, wenn in der Diät nicht in ausreichender Menge vorhanden, die Ausnutzung anderer Aminosäuren beschränkt. Um einen Überblick zu bekommen, wie die verchiedenen Aminosäuren im Körper zusammenarbeiten, empfehle ich Dir das Buch von Dr. Mauro Di Pasquale ”Protein and Amino Acids for the Athlete”, herausgegeben von CRC Press.
 

Die anabolischen Nährstoffe


Eins der Probleme die mit Distanzpferden auftreten können, ist die Kombination von Muskelverbrauch und Anorexie : Das Pferd ist ein schlechter Futterverwerter und es scheint nichts zu geben was man dagegen tun kann. Deshalb werden längere Erholungspausen zwischen den Wettkämpfen nötig, und das Training zwischen Wettkämpfen muss reduziert werden. Eine Lösung für dieses Problem ist Gamma-Oryzanol, aus Reisschalen gewonnen, oder als Bestandteil der Reiskleie gefüttert. Bei den meisten Pferden bewirkt Gamma-Oryzanol ein Anstieg des Appetit, einen beruhigenden Effekt, und einen sichtbaren Anstieg des Muskelansatzes.

Ein anderer anabolischer Nährstoff ist Creatin, eine Aminosäure die in den Muskelzellen in der Form von Creatinphosphat (CP) als Brennstoff verwendet wird. Creatin auf täglicher Basis zu füttern lässt die Muskelmasse ansteigen. Zwei andere hormonähnliche Nährstoffe, DHEA und HMB, produzieren anabolische Effekte begleitet von gewissen androgenen (vermännlichenden) Wirkungen. Beide verursachen einen Anstieg der männlichen Geschlechtshormone.

Warum ”anabolisch” (wachstumsfördernd) ? Weil Katabolismus (Eiweiss-Abbau) die andere Wahl ist in hart-arbeitenden Athleten. Wenn der Athlet so hart trainiert dass der Sprit alle ist, oder die Energiereserven schwer geschrumpft sind (Glycogendefizit), beginnt der Körper sein Eiweiss aufzubrechen um es als Energiequelle zu verwerten. Egal wieviel Fett der Körper mit sich trägt, wenn Glycogen- und Glucosevorräte zuneige gehen, verbraucht der Körper seine eigene Muskulatur. Das schwächt das Pferd und verursacht Muskelschmerzen. Es vermindert auch die Aquisitionsrate (Trainingsfortschritt) wenn der Athlet weiter trainiert wird.

Die Zucker/ Chrom-Mischung die in Glucogen-Loading-Produkten benutzt wird, ist ebenfalls anabolisch, es regt Muskelbildung und –Reparatur an.


Lasse Ernährung für Dich arbeiten


Höre auf Deine Freunde. Hab keine Angst vor Experimenten. Fürchte keine Kritik von ”Experten” die die ernährungsmässigen Alternativen für Dein Pferd sauer reden wollen. Aber springe nie mit beiden Füssen zugleich ins Unbekannte. Überrasche nie das Verdauungssystem Deines Pferdes. Ändere immer nur einen Faktor, beobachte das Resultat, dann steigere die Eingabe allmählich. Das funktioniert für Getreide – ja, Du willst die Arbeitsleistung füttern, aber Du musst vorsichtig sein, das Pferd nie in einer einzigen Mahlzeit zu überfüttern, oder die Ration zu schnell zu erhöhen. Mache kleine Änderungen, z.B. zwei Pfund, dann warte drei Wochen, beobachte das Resultat.

Wenn Du einen Futterergänzungsstoff testest, entscheide vorher was Dein Ziel ist – und Dein Kriterium das beweist, ob der Wirkstoff einen Nutzen hat oder nicht. Beobachte sorgfältig ob das Ziel erreicht wird. Selbst wenn, bleibe kritisch. Anstelle ”einer Ratte”, willst Du dass ”ein dutzend Ratten” auf dieselbe Weise reagieren. Das ist, wo Deine Freunde ins Spiel kommen. In meinem Newsletter (Racing Science Review, Hrsg. Equine Research Inc., Anm.d.Ü.) summieren wir die Erfahrungen von etwa 700 Rennpferdetrainern, und geben ihnen die neusten Ideen zum Erforschen. Sieh ob Du eine ähnliche Gruppe finden kannst – Leute die gute Informationen und Erfahrungsberichte teilen wollen.

(-Ende-)


Use it
          or lose it

Anmerkung des Übersetzers:
Ich hatte vorgehabt, die - mit freundlicher Genehmigung des Autors übersetzten - Texte um 1999 herum in "Distanz Aktuell" zu veröffentlichen, aber aus verschiedenen, persönlichen Gründen davon Abstand genommen. 2014 habe ich noch mal grob drüber gelesen, und den ein oder anderen erklärenden Einschub gemacht. Ich entsinne mich gut der Diskussionen in Ridecamp mit Tom Ivers und den amerikanischen Sportkameraden um 1995/1996 herum, als das Internet eine noch recht junge Erfindung war. Solche fruchtbaren, dabei leidenschaftlichen, im Ton nie verletzenden Diskussionen mit erfahrenen, freundlichen Leuten wird es wohl nie wieder in einem Distanzforum geben. Tom war immer freundlich und hilfsbereit, und dabei knallhart, soweit es die Sportwissenschaft betraf. Unnachahmlich auch die (ins Deutsche eigentlich kaum übersetzbare) Deutlichkeit, mit der er vor der "hirnlosen" Anwendung von Trainingstricks warnte. Wer immer mit ihm diskutierte, tat aber gut daran, über das Thema wirklich auf dem Laufenden zu sein. Nie zuvor, und nie danach habe ich soviele Bücher über Trainingswissenschaft verschlungen (über den damals noch kleinen Internetladen Amazon USA). Seine Bücher werden in meiner Pferdebibliothek immer einen besonderen Platz einnehmen.

Links:

Tom Ivers: The Basics of Equine Exercise Science 1,  auf youtube - verschiedene Lehrvideos der 1990'er Jahre, von Toms' Bruder Robert eingestellt


Tom Ivers: The Fit Racehorse (II) - Sein wichtigstes Buch, in der 1994 aktualisierten Fassung



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