taunusreiter TAUNUSREITER
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Überarbeitet März 2015 - Ergänzung (Losgelassenheit, Piaffe) Februar 2021

Piaffe
Nuno Oliviera in der Piaffe

Die "Reitersprache"

Kleines Wörterbuch reiterlicher Fachbegriffe für den Freizeitreiter

Oft wird mit den Begriffen hantiert, ohne sie zu erklären. Der Jurist würde sie „unbestimmte Begriffe” nennen (=unpräzise, jeder kann damit beweisen was er will und sie verwenden wie er will). Teils bauen sie aufeinander auf, teils überschneiden sie sich. In manchen Artikeln und schlechten Blog-Beiträgen oder Büchern werden sie wild durcheinander verwendet. Deshalb hier ein Versuch kurzer Herleitungen. “Während die Sprache der Diplomatie die Gedanken verbergen soll, muß die Reitersprache diese zu voller Klarheit bringen” (Peter Spohr)

Ohne Entspannung und Gelöstheit ist kein korrektes, fürs Pferd gesundes Reiten und erst recht keine Versammlung möglich. Ohne „Vorwärts-Abwärts“ und Aktivierung des Rückens keine gymnastischen Lektionen und keine "Aufrichtung aus der Tiefe". Entspannung ist dabei die mentale Seite, Gelöstheit die eines körperlichen Teilbereichs.
"Bedenken Sie, daß man nur das zusammenstellen kann im Pferde, was sich bereits losgelassen hat, und wenn man etwas zusammenstellen will, was noch fest ist, man es nur fester, widerstandsfähiger und ungehorsamer macht, also zur höchsten Versammlung, die den Sekundengehorsam bedingt, die höchste Losgelassenheit vorhergehen muß. Wollen Sie das Pferd früher zusammenstellen, als es sich losgelassen hat, so sind Sie kein Künstler, sondern ein Würgeengel." (Monteton, 1881).

Nächstwichtigstes Ziel ist Vorwärtsgehen
Vorwärts ist die Losung in der Reiterei, wie im ganzen Weltall (..) Der Trieb nach Vorwärts ist die Grundlage aller Arbeit und kann nicht sicher genug begründet werden", schreibt Steinbrecht. Aber er warnt auch: "Unter Vorwärtsreiten verstehe ich nicht ein Vorwärtstreiben des Pferdes in möglichst eiligen und gestreckten Gangarten, sondern vielmehr die Sorge des Reiters, bei allen Übungen die Schubkraft der Hinterhand in Tätigkeit zu erhalten, dergestalt, daß nicht nur bei den Lektionen auf der Stelle, sondern sogar bei Rückwärtsbewegungen das Vorwärts, nämlich das Bestreben, die Last vorwärts zu bewegen, in Wirksamkeit bleibt."
Das soll selbst in der höchsten Versammlung so bleiben, sonst wäre es keine echte Versammlung, und das Pferd nur zusammengeschraubt. In der Piaffe z.B. soll das Pferd, auf ein einfaches loslassendes Signal vom Reiter hin, in Passage-Tritten davonschweben. Wie wenig Piaffen bekommt man zu sehen, wo das Pferd dies ausführen könnte? Dabei kommt die Piaffe doch in der Natur nur vor, wo ein Hengst zu einer Stute will, oder eine Stute zu ihrem Fohlen, aber durch irgendetwas momentan daran gehindert wird.

Das Ergebnis aus Gelöstheit und gutem Vorwärtsgehen aber sind Raumgriff und Schwung.

Das dritte Ziel ist Geraderichten, zu erreichen durch gleichmäßige und wechselseitige Biegungen. “calme, avant et droit (ruhig-gelassen, vorwärts und gerade - General d'Hotte)“. Und wieder Steinbrecht: "Ferner verstehe ich unter der geraden Richtung des Pferdes nicht seine völlig ungebogene auf die abzuschreitenden Linien, sondern daß es unter allen Umständen, selbst bei stärkster Biegung seines Körpers und in den Lektionen auf zwei Hufschlägen, mit seinen Vorderfüßen den Hinterfüßen vorschreitet, die ihrerseits wiederum jenen unbedingt folgen."

Vertrauen - Gehorsam – „Dominanz“
Alle Arbeit des Reiters mit dem Pferd, an der Hand oder im Sattel, sei vom Ziel erfüllt, das Vertrauen des Pferdes zu gewinnen, und sich ergebende Widerstände, nachdem alle möglichen anatomischen und gesundheitlichen Ursachen (auch unpassende Sättel u.dergl.) geprüft und ausgeschlossen sind, mit sanftmöglichsten Mitteln zu überwinden. Ein in allem richtig behandeltes Pferd ist gehorsam, weil es sich vom Reiter beruhigt, angeleitet und artentsprechend „dominiert“ fühlt. Gehorsam kann also nicht durch speziell konstruierte „Dominanzübungen“ eingefordert oder geübt, sondern muß vom Reiter durch seinen gesamten Umgang mit dem Pferd im Laufe der Zeit verdient werden. (weiter mit dem Thema hier)

Balance, Gleichgewichtshaltung, Selbsthaltung: “Wenn der Zuschauer in Gang und Haltung keinen Unterschied wahrnimmt, gleich, ob der Reiter die Verbindung mit dem Pferdemaul hält, aufgibt und wieder annimmt; wenn das Pferd sich so trägt, wie es natürlicherweise am mutigsten und schönsten aussieht (...) das Pferd, auf dem man so bequem sitzt, dass man zu faul zum Leichttraben ist, das mit hängenden Zügeln im ausgesessenen Galopp nicht davonläuft, das sich zwischen Schenkel und Zügel führen lässt, sich aber genau so vertraut benimmt, wenn man es ohne Zügel aus dem Sitz vor dem Schenkel reitet, das ist in harmonischer Übereinstimmung mit dem Reiter (U.Bürger)“ Diese Gleichgewichtshaltung schließt das für Geländepferde hinreichende Maß an Versammlung mit ein.

Takt (Kadenz) geregelter, regelmäßiger Gang des Pferdes. Bei Verstärkungen (oder Bergaufgehen) soll die Trittzahl nicht erhöht; bei Verlangsamung oder Versammlung nicht vermindert werden. Für mich kommt Takt nach Gleichgewicht. Ein gutes Pferd im Gleichgewicht versucht auch immer, einen gleichmässigen Takt zu gehen, aus Kraftersparnis, und weil es sich im Takt behaglich fühlt. Ein Pferd, das nicht im Gleichgewicht ist und auf der Vorhand geht, geht insgesamt zu schnell (es eilt) und unregelmäßig. Ist der Takt zu langsam bei mangelndem Raumgriff, ist das Pferd faul oder/und es wird nicht richtig vorwärts geritten.

Durchlässigkeit (Rittigkeit) Fähigkeit und Bereitschaft, auf vortreibende, verhaltende und seitwärtstreibende Hilfen einzugehen und Aufgeben des Widerstands gegen diese. Besonders Hergabe und Tätigsein des Rückens – nicht (einseitig) „Aufwölbung“ da diese das Vorwärtsgehen blockiert.

Anlehnung “nennt man den leichten Druck, den die Kandarenwirkung in der Hand des Reiters, und umgekehrt, den die Reiterhand auf den Unterkiefer des Pferdes ausübt (...) Ein Pferd, das nicht mit dem Kappzaum ausgebildet wurde, wird niemals jene angenehme Anlehnung besitzen, welche gute Pferde haben müssen und welche gleichmässig, stet und leicht zu sein hat (La Guérinière)“. Leicht bedeutet wenige Gramm! Mit der leichten Anlehnung - von "Beizäumung" streng zu unterscheiden! - stellt sich auch die ideale Kopfhaltung ein. (weiter mit dem Thema hier)

Impulsion ist“natürlicher, nicht zurückzuhaltender Vorwärtsdrang des Pferdes, der sich unmittelbar in schwungvolle Vorwärtsbewegungen umsetzt... Unter den guten Eigenschaften eines Sport- oder Freizeitpferdes muß die (natürliche) Impulsion stets den ersten Rang einnehmen. Sie ist hier von noch höherer Bedeutung, als z.B. das perfekte Gebäude (M.Henriquet).“

Leichtigkeit (Légèrité) ist das Zusammenwirken von Impulsion und Durchlässigkeit, resutltierend in einem brillanten Gesamteindruck.

Versammlung ist“der Zustand des Pferdes, in dem es mit der größtem ihm möglichen und von der Gangart geforderten Beugung der Hinterbeine mit schwingendem (hergegebenen) Rücken, aufgerichtetem Halse, nachgelassenem Genick, zugleich vollkommen losgelassen, auf die geringsten Hilfen gehorsam, mit der ihm möglichsten Energie an den Zügel herantritt. - Aus der richtigen Versammlung entwickeln sich alle Lektionen, Seitengänge, Wendungen, Paraden, leicht von selbst; sie dienen wohl dazu, die Biegsamkeit des Pferdes zu vermehren und seine Ausbildung zu verbessern und zu verfeinern - können aber nicht umgekehrt die Versammlung herbeiführen, wenn das Pferd nicht dazu vorbereitet und fähig ist; sie sind Folgen, aber nicht Ursachen (G.v.Dreyhausen)“
“Vorn halten, hinten treiben, schraubt zusammen, engt ein, gibt aber keine Versammlung (U.Bürger)“

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