In dieser Zeit entstand das "Reisen
zu Pferd" (und mit Gepäck) als
Gegenbewegung zur zunehmenden Technisierung des Alltags,
und Entfremdung von der Natur. Wenig überraschend ging sie eher
aus von Denkern, Lebens- und sonstigen Künstlern. In Deutschland
muss man Günther Burk als Wanderreiter der ersten Stunde
betrachten. Zu dem bald die Zeichnerin Angela Paysan (1936-1992)
stieß, und die ab etwa 1965 die ersten längeren Ritte machten,
erwähnt in ihrem Buch
"Reisen zu Pferd". Ähnliche Pioniere gab es in Frankreich.
Zu der Zeit schafften immer mehr Landwirte ihre Pferde ab. Sie
waren kaum unter den ersten Reitern, und das lag nicht nur
daran, dass diese Berufsgruppe damals noch kaum reisen konnte. "Wir
haben sie so schinden müssen bei der täglichen Arbeit...",
erklärte mir vor vielen Jahren einmal ein alter Bauer, bei dem
ich auf Wanderritt übernachtete, und hatte dabei Tränen in den
Augen, "Nachdem wir sie verkauft hatten, wollte keiner je
wieder eins haben"...
Trotzig apellierte der Pferdesportverband "Das Pferd muss
bleiben!" - nur kaum einen interessierte dies. Denn
sie hatten keine Antwort auf die Frage "Wozu soll es denn
bleiben?" Um 1970 herum war der Pferdebestand in
Deutschland auf dem historisch niedrigsten Stand. Man erwartete,
diese Tiere demnächst nur noch im Zoo sehen zu können. Es "brauchte"
die Pferde ja niemand mehr.
-- Doch dann, unerwarteterweise, kamen sie wieder
zurück, die Pferde. Und aus einer neuen, völlig unerwarteten
Richtung. Begonnen hatte es in Deutschland mit dem Film
"Immenhof" und den ersten Islandpferdeverkäufen 1957 --
und auf Island sieben Jahre zuvor mit dem ersten Landsmót, dem
ersten Freizeitreitertreffen, an der historischen Thingstätte
von Island, dem Thingvellir. Die Welle schwappte nun über, und
verbreiterte sich. Immer neue Pferderassen kamen nach
Deutschland. Ihre Reiter ritten vorwiegend ins Gelände.
Manchewurden zu Wanderreitern, manche entwickeln sportlichen
Ehrgeiz. 1969 veranstaltete Wolf Kröber, ein
junger Mann von 24 Jahren, den ersten Distanzritt in Deutschland
seit über 30 Jahren, und proklamierte
"Reiten ist der Wille ins Weite!" Und
1972 die erste Equitana - der Freizeitreiter-Boom war auch ein
blendendes Geschäft. 1973 meinten einige, die Reiter aus dem
Wald aussperren zu können. Und (es war die Zeit wo Willy Brandt
Kanzler war und "mehr Demokratie wagen" wollte) eine
Protestbewegung erhob sich dagegen, und brachte den geplanten
Gesetzentwurf zu Fall. Jäger und Waldbesitzer gegen Reiter - das
ging noch jahrelang so weiter.
-- Auch ich kam zum Reiten über die Isländer, gab als
Jugendlicher den Fußballverein auf, denn beim Reiten war man
draußen in der herrlichen Natur, und außerdem machten da auch
hübsche Mädchen mit. Und die ersten 10-15 Jahre vermied ich ganz
konsequent, mir eine Reithalle von innen azuschauen oder in
einer solchen zu reiten.
Heutzutage meinen manche, die vier Stunden im
unbekannten Gelände nach GPS ohne wesentliches Gepäck unterwegs
sind, sie machten einen Wanderritt. Wozu wird eigentlich
noch ein Unterschied gemacht zwischen Wanderritt und Reiturlaub?
Immer mehr ziehen den "bequemeren" Reiturlaub mit festen
Standquartier vor, oder fahren einfach mit Wohnmobil und Pferd
im Pferdehänger los und organisieren sich was spontan.
Was macht "Wanderreiten" also
eigentlich aus?
Ist es, wenn man sich auf einer Station aus einer Broschüre
kostenpflichtig anmeldet (sogar in Regionen möglich, die fürs
Wanderreiten eigentlich ganz ungeeignet sind), oder einen
Abzeichen-Kurs besucht? Hat es mit kommerziellen Interessen zu
tun? Ist es eine eigene Reitweise? Ist es ein Zeitvertreib, oder
eine Art Erlebnisurlaub? Herumgammeln mit dem Pferd, was
eigentlich jeder kann? Oder erfordert es einen eigentlich ganz
speziellen Umgang mit dem Pferd? Wie lang die Zügel und die
Bügel? Steht es alles vielleicht längst beschrieben in der
HDV12? Oder begann damals die verderbliche Zweck- und
Leistungsreiterei? - Ich bin mir nicht mal sicher, ob viele die
heutzutage mit Wanderreiten werben, dazu je einen Gedanken
verschwendet haben. Vor 30 Jahren diskutierten wir das, und
kamen uns dabei kein bißchen albern vor. Nach einem Ritt an
irgendeinem Lagerfeuer mit Gleichgesinnten, hin und her,
ohne zu einem Ergebnis zu kommen. Lauter junge, engagierte,
nicht mehr ganz unerfahrene Reiter, und es ging nur um die
Sache. Natürlich waren wir alle der Meinung, "richtiges"
Wanderreiten sei allein mit Gepäck möglich. Niemand von uns
besaß einen eigenen Hänger...
Ein windgegerbter, auf langen Ritten ergrauter Wanderrittführer,
noch heute in diesem Geschäft, hatte während unseres Gesprächs
geschwiegen, unsere Worten nur ab und zu nachsichtig oder etwas
amüsiert belächelt, ergriff irgendwann doch das Wort :
Diese Worte - die eines Wolf
Kröber würdig gewesen wären, und vielleicht sogar
von ihm stammten - enthielten wirklich das wesentliche. Dies
hörend, konnte ich endlich mal die Klappe halten und nachdenken.
Sie bedeuteten wohl, dass es keine so "leichte Sache" sei, was
man nicht auf ein paar Ritten lernen, geschweige denn in Büchern
nachlesen kann - nicht gleichbedeutend damit, dass
Reitunterricht oder Bücher etwa überflüssig wären...
Mit der Vielseitigkeitsreiterei - vor der ich einen
Heidenrespekt schon damals hatte - geht das schließlich auch
nicht so.
Vielleicht war Wanderreiten ja eine Art des partnerschaftlichen
Umgangs mit dem Pferd, der viel Hingabe, Fleiß,
Nachdenken, und lebenslange Praxis erfordert. Dem
leistungssportlichen Reiten grundsätzlich gleichgestellt, also
ähnlich fordernd, anstrengend und ernsthaft. Wo man ebenso mit
jedem neuen Pferd das Gefühl hat, nun beginne alles wieder von
neuem -- und nur in den besten Momenten spürt, um wieviel
besser, müheloser und leichter es nun mit dem gewonnenen
Wissens- und Erfahrungsschatz geht, als mit dem allerersten
eigenen Pferd...
Solche Männer (und Frauen), die das vermitteln können, mit wenigen Worten, denen es so um die Sache, und nicht um die Finanzierung der eigenen Reitanlage oder -station geht, wünsche ich mir als Interessenvertreter der Geländereiter - noch heute !
(Ende der Vorrede..)
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