taunusreiter TAUNUSREITER
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Juni 2013
/  Update Nov. 2022



Wanderreiten - Der Wille ins Weite

Araber als Wanderpferd (Ohne Gepäck)
Bild: Wanderreiten, hier dem Pferdchen zuliebe ohne Gepäck

Jahrhundertelang war das Zurücklegen längerer Strecken über mehrere Tage zu Pferd nur in einer Hinsicht etwas besonderes : Wer ein Pferd hatte, konnte sich glücklich schätzen, denn er brauchte nicht zu Fuß gehen, wie der weit überwiegende Teil der Reisenden, oder die ungefederte, langsame Postkutsche benutzen. Mit der Verbreitung der Eisenbahn änderte sich das alles. Ab 1870 beförderte selbst die Armee ihre Pferde zunehmend mit der Eisenbahn, wenn es galt hunderte von Kilometern zurücklegen, anstatt zu reiten. Siebzig Jahre später wurden allenfalls noch deckbereite Stuten auf die Hengststationen, wurde zum ländlichen Turnier, oder auf die Reitjagd geritten. Ab etwa 1960 wurden die ersten Pferdeanhänger und -transporter verkauft. Autos wurden allgemein verfügbar, und bald saß fast jeder Reiter längere Zeit in einem Kraftwagen als auf dem Pferd.

In dieser Zeit entstand das "Reisen zu Pferd" (und mit Gepäck) als Gegenbewegung zur zunehmenden Technisierung des Alltags, und Entfremdung von der Natur. Wenig überraschend ging sie eher aus von Denkern, Lebens- und sonstigen Künstlern. In Deutschland muss man Günther Burk als Wanderreiter der ersten Stunde betrachten. Zu dem bald die Zeichnerin Angela Paysan (1936-1992) stieß, und die ab etwa 1965 die ersten längeren Ritte machten, erwähnt in ihrem Buch "Reisen zu Pferd". Ähnliche Pioniere gab es in Frankreich. Zu der Zeit schafften immer mehr Landwirte ihre Pferde ab. Sie waren kaum unter den ersten Reitern, und das lag nicht nur daran, dass diese Berufsgruppe damals noch kaum reisen konnte. "Wir haben sie so schinden müssen bei der täglichen Arbeit...", erklärte mir vor vielen Jahren einmal ein alter Bauer, bei dem ich auf Wanderritt übernachtete, und hatte dabei Tränen in den Augen, "Nachdem wir sie verkauft hatten, wollte keiner je wieder eins haben"...
Trotzig apellierte der Pferdesportverband "Das Pferd muss bleiben!" - nur kaum einen interessierte dies. Denn sie hatten keine Antwort auf die Frage "Wozu soll es denn bleiben?" Um 1970 herum war der Pferdebestand in Deutschland auf dem historisch niedrigsten Stand. Man erwartete, diese Tiere demnächst nur noch im Zoo sehen zu können. Es "brauchte" die Pferde ja niemand mehr.
-- Doch dann, unerwarteterweise, kamen sie wieder zurück, die Pferde. Und aus einer neuen, völlig unerwarteten Richtung. Begonnen hatte es in Deutschland mit dem Film "Immenhof" und den ersten Islandpferdeverkäufen 1957 -- und auf Island sieben Jahre zuvor mit dem ersten Landsmót,
dem ersten Freizeitreitertreffen, an der historischen Thingstätte von Island, dem Thingvellir. Die Welle schwappte nun über, und verbreiterte sich. Immer neue Pferderassen kamen nach Deutschland. Ihre Reiter ritten vorwiegend ins Gelände. Manchewurden zu Wanderreitern, manche entwickeln sportlichen Ehrgeiz. 1969 veranstaltete Wolf Kröber, ein  junger Mann von 24 Jahren, den ersten Distanzritt in Deutschland seit über 30 Jahren, und proklamierte "Reiten ist der Wille ins Weite!" Und 1972 die erste Equitana - der Freizeitreiter-Boom war auch ein blendendes Geschäft. 1973 meinten einige, die Reiter aus dem Wald aussperren zu können. Und (es war die Zeit wo Willy Brandt Kanzler war und "mehr Demokratie wagen" wollte) eine Protestbewegung erhob sich dagegen, und brachte den geplanten Gesetzentwurf zu Fall. Jäger und Waldbesitzer gegen Reiter - das ging noch jahrelang so weiter.
-- Auch ich kam zum Reiten über die Isländer, gab als Jugendlicher den Fußballverein auf, denn beim Reiten war man draußen in der herrlichen Natur, und außerdem machten da auch hübsche Mädchen mit. Und die ersten 10-15 Jahre vermied ich ganz konsequent, mir eine Reithalle von innen azuschauen oder in einer solchen zu reiten.

Heutzutage meinen manche, die vier Stunden im unbekannten Gelände nach GPS ohne wesentliches Gepäck unterwegs sind, sie machten einen Wanderritt. Wozu wird eigentlich noch ein Unterschied gemacht zwischen Wanderritt und Reiturlaub? Immer mehr ziehen den "bequemeren" Reiturlaub mit festen Standquartier vor, oder fahren einfach mit Wohnmobil und Pferd im Pferdehänger los und organisieren sich was spontan.

Was macht "Wanderreiten" also eigentlich aus?

Ist es, wenn man sich auf einer Station aus einer Broschüre kostenpflichtig anmeldet (sogar in Regionen möglich, die fürs Wanderreiten eigentlich ganz ungeeignet sind), oder einen Abzeichen-Kurs besucht? Hat es mit kommerziellen Interessen zu tun? Ist es eine eigene Reitweise? Ist es ein Zeitvertreib, oder eine Art Erlebnisurlaub? Herumgammeln mit dem Pferd, was eigentlich jeder kann? Oder erfordert es einen eigentlich ganz speziellen Umgang mit dem Pferd? Wie lang die Zügel und die Bügel? Steht es alles vielleicht längst beschrieben in der HDV12? Oder begann damals die verderbliche Zweck- und Leistungsreiterei? - Ich bin mir nicht mal sicher, ob viele die heutzutage mit Wanderreiten werben, dazu je einen Gedanken verschwendet haben. Vor 30 Jahren diskutierten wir das, und kamen uns dabei kein bißchen albern vor. Nach einem Ritt an irgendeinem Lagerfeuer mit Gleichgesinnten,  hin und her, ohne zu einem Ergebnis zu kommen. Lauter junge, engagierte, nicht mehr ganz unerfahrene Reiter, und es ging nur um die Sache. Natürlich waren wir alle der Meinung, "richtiges" Wanderreiten sei allein mit Gepäck möglich. Niemand von uns besaß einen eigenen Hänger...
Ein windgegerbter, auf langen Ritten ergrauter Wanderrittführer, noch heute in diesem Geschäft, hatte während unseres Gesprächs geschwiegen, unsere Worten nur ab und zu nachsichtig oder etwas amüsiert belächelt, ergriff irgendwann doch das Wort :

"Wanderreiten ist mehr als das. Es ist die Andere Krone der Reiterei!"

Diese Worte - die eines Wolf Kröber würdig gewesen wären, und vielleicht sogar von ihm stammten - enthielten wirklich das wesentliche. Dies hörend, konnte ich endlich mal die Klappe halten und nachdenken.
Sie bedeuteten wohl, dass es keine so "leichte Sache" sei, was man nicht auf ein paar Ritten lernen, geschweige denn in Büchern nachlesen kann - nicht gleichbedeutend damit, dass Reitunterricht oder Bücher etwa überflüssig wären...
Mit der Vielseitigkeitsreiterei - vor der ich einen Heidenrespekt schon damals hatte - geht das schließlich auch nicht so.
Vielleicht war Wanderreiten ja eine Art des partnerschaftlichen Umgangs mit dem Pferd, der viel Hingabe, Fleiß, Nachdenken, und lebenslange Praxis erfordert. Dem leistungssportlichen Reiten grundsätzlich gleichgestellt, also ähnlich fordernd, anstrengend und ernsthaft. Wo man ebenso mit jedem neuen Pferd das Gefühl hat, nun beginne alles wieder von neuem -- und nur in den besten Momenten spürt, um wieviel besser, müheloser und leichter es nun mit dem gewonnenen Wissens- und Erfahrungsschatz geht, als mit dem allerersten eigenen Pferd...

Solche Männer (und Frauen), die das vermitteln können, mit wenigen Worten, denen es so um die Sache, und nicht um die Finanzierung der eigenen Reitanlage oder -station geht, wünsche ich mir als Interessenvertreter der Geländereiter - noch heute !

(Ende der Vorrede..)

Fortsetzung

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