Das letzte
Europäische Wildpferd
Heute
wird
der TARPAN von
vielen Wissenschaftlern als das einzige Urpferd
angesehen, von dem unser heutiges Haupferd abstammt. Höchst wahrscheinlich stimmt
das nicht, und er ist lediglich einer der
Hauspferde-Vorfahren, allerdings ein sehr wichtiger.
Genau herausfinden wird man dies vielleicht nie, denn
von keinem Tarpan sind Fell, Skelett oder DNS-haltiges
Material erhalten. Allerdings werden seit einiger Zeit
KONIKs auf ursprüngliche Merkmale rückgezüchtet und
häufig fälschlich als Tarpane bezeichnet. Eine weitere,
dem Tarpan nah verwandte Hauspferderasse ist der HUZULE.
Es wird angenommen dass das einst in Ostpreußen
heimische SCHWEIKER Pferd, Vorfahr des Trakehners, auf
ein mit dem Tarpan verwandtes dort lokal lebendes
Wildpferd zurückgeht, und auch die Vorfahren der
ältesten Pferderasse Deutschlands, des SENNER PFERDES,
leben vermutlich seit unvordenklichen Zeiten in der
Heidelandschaft bei Bielefeld und gehen ebenfalls auf
den Tarpan zurück, stärker vielleicht noch
auf das MOSBACHPFERD.
Sehr wahrscheinlich haben sich die Vorfahren des
Tarpans, des Urponys im Typ des Exmoorpony, und des
Kaltblutpferdes, vielleicht auch des ARABERS vor vielen
10.000 Jahren, vielleicht sogar mehrern 100.000 Jahren -
und damit weit vor der Domestikation des Pferdes durch
den Menschen - sich getrennt und lokal unterschiedlich
weiterentwickelt. Vermutlich bildeten sie verschiedene
Unterarten (Ur-Rassen), die unterschiedliche Naturräume
belebten und sich nur gelegentlich oder gar nicht
vermischten. Es kann jedenfalls kaum bezweifelt werden
dass es schon vor der
Domestikation durch den Menschen unterschiedliche
Pferde-Unterarten oder -Typen gab. Darauf weisen schon
die Bilderhöhlen Südfrankreichs mit ihren herrlichen,
unzweifelhaft verschiedene Pferdetypen darstellende
Pferdebilder hin, von denen einige 32.000 Jahre alt
sind.
(Fries der Pferde - GROTTE CHAUVET, entdeckt 1994)
In
der
Zuchtgeschichte des Pferdes wurden die Pferdetypen dann
verfeinert, aber leider ist dabei auch etliches
Genmaterial von Einhuferrassen, das zum Gebrauchspferd
unerwünscht war, auch ausgerottet worden. Neben dem
südafrikanischen Quagga
ist der Tarpan
als traurigster Verlust zu beklagen -- und das,
obwohl anzunehmen ist, dass er viele Reitpferdepoints,
körperliche wie seelische, zu dem was wir heute am Pferd
am meisten schätzen, beigesteuert hat. Mehr jedenfalls
als die heutigen Rückkreuzungen vermuten lassen...
--
Diese
kleinen
mausgrauen
Pferde mit der helleren Unterseite und dem „Aalstrich“
d.h. einer dunkleren Rückenlinie, mit der hellen, scharf
abgesetzten Schnauze hatten an den dunklen Beinen zuweilen
Streifen wie ein Zebra. Der Kopf war ein wenig ramsnäsig,
klein, mit spitzen Ohren, die Mähne aufrecht stehend und
kurz, der Schwanz an der Wurzel schwach behaart. Die
Pferde lebten in Herden. Innerhalb dieser Gemeinschaften
sonderten sich dann kleinere Familien-Trupps ab mit einem
Hengst an der Spitze, der für die Sicherheit seiner
weidenden Stuten besorgt war. Jede Gefahr witterte er
schon von weitem und veranlasste die ganze Herde zu wilder
Flucht. Diese Wildpferde waren so schnell, dass der Mensch
ihnen nur schwer beikommen konnte. Die überzähligen
Hengste wurden meist vom Leithengst abgeschlagen und
trabten dann in einiger Entfernung hinter der Herde drein.
Diese Außenseiter nun vor allem fügten den Bauern der
südrussischen Steppe oft großen Schaden zu, indem sie
Stuten aus den frei weidenden zahmen Herden weglockten und
mit sich in die Steppe entführten. Deshalb wurden die
Tarpane von den Pferdehirten und den Herdenbesitzern
gehasst und unablässig verfolgt. Die letzte Zuflucht
fanden sie dann endlich in den menschenarmen Gebieten
Südrusslands.
Die sächsischen Gutsbesitzer von Falz-Fein
hatten nördlich der Krim eine große Siedlung begründet,
die sie Askania Nova nannten. Sie schufen dort
einen großes Tier-Freilandgehege, wobei sie ihr Augenmerk
besonders auf aussterbende Arten richteten. In seinem Werk
„Askania Nova“ erzählt nun Woldemar von
Falz-Fein von der Lebensarbeit seiner Familie und
diesem Buch entnehmen wir einen Bericht von Friedrich
von Falz-Fein über das traurige Ende des letzten
europäischen Urwildpferdes, das sich 10 Jahre vor der
Gründung des Tierparks zugetragen hatte. Hier sein
Bericht:
„Das
letzte südrussische Wildpferd ist im Jahre 1879 zu
Weihnachten etwa 35 Werst*) von meinem Gute Askania
Nova in einer Steppenniederung, die der ‚Große
Agaimanische Pod’ genannt wird, getötet worden.
Mein Vater war ein großer
Pferdekenner und Pferdezüchter und interessierte sich
sehr für die in seinen jüngeren Jahren in der Nogaischen
Steppe Tauriens noch ziemlich häufig vorkommenden
Wildpferde, die übrigens in den Steppen der Halbinsel Krim,
soweit bekannt, niemals vorhanden gewesen sind.
Im Anfang der siebziger Jahre
erzählte er mir, wenn er von seinen Steppenfahrten
heimkehrte, öfter davon, dass er wieder einen Trupp
Wildpferde in der Steppe gesehen hätte. Zuletzt sah er
nur noch 8, dann 5, dann nur noch 2 Pferde; immer
beobachtete er sie ungefähr in derselben Gegend.
Das letzte Mal, als er davon
erzählte, sagte er wörtlich folgendes: “Heute war ich
dort, wo die Bahn gebaut wird (Charkow-Sewastopol)
und habe in der Steppe noch 2 Wildpferde gesehen.“
Einige Jahre später erwähnte
mein Vater, dass nur noch ein Wildpferd vorhanden sei
und zwar in der Rachmanowschen Steppe.
Ein Gutsbesitzer, Herr Alexander
Durilin, der am rechtsseitigen Ufer des Dnjepr im
Chersonschen Gouvernement sein Gut Dutschino
benachbart dem Gute meines Bruders Alexander, gegenüber
dem großen russischen Dorfe Lepetischa hatte,
erzählte mir folgendes:
Er hatte die ganze Rachmanowsche
Steppe auf der linken Seite des Dnjepr, also im
taurischen Gouvernement, in langjähriger Pacht,
in der Größe von etwa 30.000 ha. Laut Kontrakt durfte er
nur einen kleinen Teil, ungefähr 1000 ha, als Ackerland
ausnutzen. Das übrige musste Steppe bleiben und durfte
nur als Weide oder Grasmähland verwendet werden. Da
Durilin wenig lebendes Inventar besaß, wurde die
Steppe nicht stark begangen, war menschenleer und sehr
grasreich. Dahin zog sich das oben erwähnte letzte
Wildpferd zurück.
Durilin hielt auf der
Steppe eine große Pferdeherde auf sehr primitive Art,
wie es dazumal gewöhnlich der Fall war. Solche Herden
nennt man ‚Tabun’. Jahraus, jahrein weideten die Tiere
in der Steppe unter ziemlich lockerer Aufsicht einiger
Steppenreiter in der Nähe eines einsam gelegenen
Viehstalles.
Zu dieser Herde gesellte sich
das letzte reinblütige Wildpferd, eine Stute. Wenn die
Hirten abwesend waren, mischte sie sich mitten unter die
Herde. Kaum zeigte sich aber ein Hirt, so stand sie
stets vereinzelt in einiger Entfernung da. Niemals haben
die Hirten das Tier liegend ausruhen gesehen, wogegen
die Hauspferde während des Tages regelmäßig eine Zeit
liegend verbringen. So vergingen ungefähr drei Jahre.
Allmählich wurde die Stute zahmer. Sie entfernte sich
nicht mehr so weit beim Herannahen der Hirten, und wenn
die Herde zur Tränke oder zum Viehstall getrieben wurde,
lief sie nicht wie zuerst weit in die Steppe davon,
sondern folgte in einiger Entfernung der Herde.
Durilin schonte und beschützte das Tier.
Während der drei Jahre bekam
die Stute zwei Fohlen von einem zahmen Hengste der
Durilinschen Herde. Von diesen beiden Fohlen war
das eine der Mutter sehr ähnlich, das andere aber artete
dem Vater nach. Die Fohlen wurden der Stute jedes Mal
abgenommen, großgezogen und später als Arbeitspferde
verwendet, haben sich auch als sehr leistungsfähig
erwiesen. Da sie aber verhältnismäßig klein waren, hatte
Durilin ihnen kein weiteres Interesse
entgegengebracht. Die Stute wurde so zahm, dass sie im
Winter eines Tages mit der Herde in die Umzäunung vor
dem Stalle hineinging, wo die Pferde etwas Heu zu
bekommen pflegten. Schließlich ging sie mit der Herde
sogar in den Stall. Die Gelegenheit wurde ausgenutzt,
die zahmen Pferde wurden herausgelassen und das
Wildpferd im Stall eingefangen.
Es benahm sich eingesperrt
äußerst wild, sprang an den Wänden hoch, schlug sich in
die äußerste Ecke des Stalles und nahm einige Tage kein
Futter an. Schließlich gewöhnte es sich zwar an das
Futter, gebärdete sich jedoch noch sehr wild.
Durilin ließ es nun mit einem Lasso einfangen und
in eine Box bringen, wo es bis zu Frühjahr blieb.
Man gab sich die größte Mühe,
es zahmer zu machen, und erreichte auch, dass es sich
zur Tränke führen ließ, wobei es aber jedes Mal
versuchte, sich loszureißen. Putzen und Anrühren
gestattete es nicht.
Im Frühjahr bekam es das
dritte Fohlen im Stall. Beim Einbringen in die Box hatte
es ein Auge verloren. Da, wie gesagt, das Tier so zahm
geworden war, dass es sich sogar führen ließ und ein
Fohlen bekam, hoffte Durilin, es würde nicht
mehr weglaufen und nach dem Herauslassen auch weiter bei
der Herde bleiben. Aber kaum war der Halfter abgenommen
und der Stute die Freiheit gegeben, als sie mit lautem
Wiehern sofort in die Steppe hinauslief. Bald kehrte sie
zurück, suchte ihr Fohlen auf, nahm es mit sich und
verschwand auf Nimmerwiedersehen in der weiten Steppe,
statt sich der Herde anzuschließen. Seit dieser Zeit hat
Durilin niemals wieder etwas über diese Stute
erfahren können.
Später tauchte das Pferd in
der verhältnismäßig menschenleeren Steppe auf, nahe dem
Dorfe Agaimany und unserem Gute Uspenka,
etwa 35 Werst von Askania Nova, wurde von
verschiedenen Menschen gesehen und auch verfolgt, bei
dieser Gelegenheit hat es wahrscheinlich sein Fohlen
verloren. Laut Aussagen eines Augenzeugen, des Herrn Paul
Sisojew, der in der Nähe von Uspenka sein
Gut hatte und an der letzten Stutenjagd teilnahm, ist
diese Stute auf folgende Weise ums Leben gekommen:
Die Bauern von Agaimany
und einige der umliegenden kleinen Besitzer, denen das
Auftreten des Wildpferdes in ihrer Nähe bekannt wurde,
beschlossen, wahrscheinlich um die Tüchtigkeit ihrer
Pferde zu erproben, während der Weihnachtsfeiertage eine
Jagd, eher ein Treiben, auf das Pferd zu veranstalten.
Dazu sammelten sich die Reiter auf den besten Pferden
der Umgegend. Man stellte berittene Vorposten in weiten
Abständen voneinander auf und trieb nun die Stute dem
ersten nächsten Posten entgegen. Dieser übernahm die
Verfolgung bis zum zweiten, der nächste bis zum dritten
usw. Doch aller Anstrengungen spottend, entging die
Stute ihren Verfolgern. Es lag an diesem Tag ziemlich
viel Schnee, dessen Decke zu einer harten Kruste
gefroren war. Dazu waren sehr hohe Schneewehungen
entstanden. Trotzdem sprang das Tier über alle diese
Hindernisse mit fabelhafter Leichtigkeit hinweg und wäre
niemals gefangen worden, wenn es sich nicht ein
Vorderbein dadurch gebrochen hätte, dass es beim
Springen in eine Erdspalte geriet.
Auf einen Schlitten geladen
wurde es nach Agaimany gebracht, wo die ganze
Bevölkerung es anstaunte. Man versuchte, um es zu
retten, durch den Dorfbader einen künstlichen Huf zu
machen, doch ging es selbstverständlich nach einigen
Tagen ein.
Es war dieselbe einäugige
Stute, die bei Durilin im Stalle gestanden
hatte. Dies war das Ende des letzten südrussischen
Wildpferdes. Von ihm ist leider weder Fell noch Skelett
gerettet worden.
Alexander Durilin und
Paul Sisojew, die beide in jener Gegend
allgemein bekannten Züchter und Pferdekenner, gaben von
dem Äußeren der Stute folgendes Bild:
Sie war klein, ponnyartig,
sehr gut gebaut, mit trockenen, festen und gut
gestellten Beinen, etwas ramsnäsig, mit kleinen, spitzen
Ohren, kleinem trockenem Kopf, kurzer Mähne und kurzem
Schweif. Die Färbung war mäusegrau oder wildfarbig, wie
man es dort bezeichnet, mit dunklen Beinen und
deutlichem, schwarzem Aalstrich auf dem Rücken. Diese
Angaben entsprechen vollkommen den Beschreibungen aller
übrigen von mir befragten Leute, die das Wildpferd
genauer gekannt haben, und ebenfalls derjenigen, die
mein Vater mir gegeben hat.“
---
Quelle des Berichts:
Dr.O.Fehringer, Wildtiere und Haustiere, KOSMOS 1936
*) entspricht 37km
Falz-Fein kaufte später gefangene Przewalski-Wildpferde
(Tachis)
für den Tierpark. Es gilt als sicher dass ohne diese Käufe
und seine Zucht in Askania Nova auch dieses Wildpferd ohne
Nachkommen ausgestorben wäre. 1914 besuchte Zar Nikolai
II. das Gut und erhob die deutschstämmigen Besitzer in den
Adelsstand. Nach der Russischen Revolution wurde Gut und
Tierpark Askania Nova 1919 enteignet, aber nicht
zerschlagen sondern zum staatlichen Tierzuchtinstitut
erklärt. Die Falz-Feins jedoch emigrierten nach Luxemburg.
1921 wird die Gegend zum Naturschutzgebeit, 1984 zum
Biosphärenreservat erklärt. Einige der sechzehn 1992
ersten in der Mongolei wieder ausgewilderten Tachis
stammen aus Askania Nova.
Askania
Nova liegt in der heutigen Ukraine, genau nördlich der
Halbinsel Krim. Wo aber genau das Dorf Agaimany liegt
oder lag, wo das letzte Tarpan-Wildpferd starb, konnte
ich nicht ermitteln.
-----
Über die Lebensweise ist nach den Aussagen der Augenzeugen
folgendes zu berichten:
Als die Steppen noch wenig bevölkert, vollständig
unbeackert
und sehr grasreich waren, hielten sich die Wildpferde in
kleinen
Trupps in den menschenleersten Gegenden in der Nähe der
flachen,
abflußlosen, muldenförmigen Vertiefungen der Steppe auf,
in denen
sich das Regen- und Schneewasser ansammelte. Solche Orte
nannte
die Bevölkerung „Pod". Es waren versumpfte Steppenseen mit
üppiger Sumpf vegetation, in der Wasser- und Sumpfgeflügel
massen-
haft sich aufhielt und brütete.
Die Pferde weideten in der hohen, nächstgelegenen
Stipa-Steppe
und gingen nur zur Tränke in diese sumpfigen Niederungen.
Auf
den höchsten Punkten der umliegenden Steppe in der Nähe
dieser
Sümpfe befinden sich meistens scytische Grabhügel. Der
Leithengst
pflegte auf einem solchen Hügel sichernd zu stehen,
während
die Herde in der Nähe weidete. Fußgänger wurden
verhältnismäßig
nahe herangelassen. Vor einem Reiter aber flohen die Tiere
schon
in der Entfernung von einigen Kilometern. Nach den
Berichten
aller Augenzeugen waren die Wildpferde außerordentlich
flüchtig,
und an ein Einholen mit Reitpferden war nicht zu denken.
Dabei
muß man allerdings noch in Betracht ziehen, daß den
Leuten, die
damals Wildpferde hetzten und über ihre Flüchtigkeit so
erstaunt
waren, weder Halb- noch Vollblüter zu Gebote standen,
sondern
nur Reitpferde der einheimischen Steppenrasse, die den
Kultur-
rennpferden an Schnelligkeit selbstverständlich erheblich
nachstanden.
Im Frühjahr während der Paarungszeit hielten sich die
jüngeren
und schwächeren Hengste von der Herde abgesondert entweder
in
kleinen Trupps oder vereinzelt auf; zu den Stuten aber
wurden sie
vom Leithengst nicht zugelassen. Eine Vermischung der
Wildpferde
mit den halbwild gehaltenen Hauspferden fand in früheren
Zeiten
nicht statt, so daß die Rasse sich deshalb rein eihielt.
Die über-
zähligen Hengste bedeckten zwar hin und wieder zahme
Stuten;
niemals aber wurde ein zahmer Hengst an wilde Stuten von
deren Leithengst herangelassen. In der letzten Zeit, als
die Tiere
nicht mehr in Herden, sondern einzeln herumstreiften, kam
eine
Bedeckung wilder Stuten durch zahme Hengste zuweilen vor.
Zur raschen Verminderung der Wildpferde trugen
hauptsächlich
folgende Gründe bei:
I. Die starke Ansiedlung von Bauern aus allen Gegenden
Rußlands durch die Regierung an Stelle der weggezogenen
Nogaier
in Taurien, so daß die menschenleere Steppe
verhältnismäßig belebt
wurde.
II. Aus lauter Mutwillen wurden die Tiere immer umher
gehetzt
und hatten keine Ruhe mehr. Besonders verderblich wirkte
auf sie
das Treiben auf stark beschlagenen Pferden während des
Glatteises.
III. Das Austrocken der oben genannten Sümpfe infolge des
ständigen Ausmähens derselben und die in der Nähe
angelegten
Ansiedlungen entzogen ihnen ihre Tränken. Schließlich
mußten
die vom Durst gepeinigten Tiere sogar an die Brunnen heran
gehen,
aus denen man das zahme Vieh tränkte und wurden dabei
erschossen.
Alle diese Umstände wirkten sehr rasch auf eine
vollständige
Ausrottung der Wildpferde ein.
Das durch Schatilow im Jahre 1884 dem Moskauer
Zoologischen
Garten geschenkte Wildpferd, ein Wallach, den ich selbst
in Be-
gleitung zweier aus Taurien gebürtiger Menschen gesehen
habe,
die die Wildpferde genau kannten, war dem ganzen Habitus
nach
sicher kein rein blutiges Wildpferd, sondern ein mehr nach
dem
Hauspferde geschlagener Mischling. Auch Schatilow hielt
ihn,
wie er mir selbst sagte, nicht für ein reinblütiges
Wildpferd. Er
hat ihn genau beschrieben und seiner Arbeit drei große
Photographien
des Tieres beigelegt-). Der Wallach war viel zu schwer
gebaut,
hatte einen schweren, massiven Kopf, sehr lange,
herabhängende
Mähne und langen Schweif. Die Kruppe war sehr schlecht,
auch
die Beine waren schlecht gestellt. Das Tier war in der
Färbung
zu dunkel und auch etwas größer als die Wildpferde.
Außerdem
hatte es noch einen braunen Fleck unterhalb des Knies am
linken
Vorderfuß.
Durilin, der mich speziell besuchte, um meine Wildpferde
aus
Asien kennen zu lernen und sie mit dem Tarpan zu
vergleichen,
blieb, als ich sie ihm zeigte, lange vor ihnen stehen und
sagte
schließlich, daß dies ganz anders aussehende Pferde seien,
als die
ihm gut bekannte, letzte südrussische Stute. Er meinte,
daß das
asiatische Wildpferd viel plumper und schwerer im
Körperbau sei,
einen viel schwereren, fleischigeren Kopf und einen viel
dickeren Hals
habe. Auch sei die Färbung ganz anders. Das südrussische
Wild-
pferd sei mäusegrau gewesen, dagegen sei das asiatische
falbfarbig.
Der Aalstrich sei nur schwach ausgeprägt, bfei dem
südrussischen
aber scharf und deutlich. Im allgemeinen sei das
südrussische
Wildpferd viel eleganter, leichter und trockener gebaut
gewesen.
Die mongolischen Wildpferde haben bekanntlich eine schwach
behaarte Schweifwurzel, die von keinem Beobachter des
russischen
Wildpferdes erwähnt worden ist. Diese schwache Behaarung
kann
man übrigens nur bei jungen Tieren von Equus przwevalsUki
bemerken.
Bei ausgewachsenen, gut gehaltenen asiatischen Wildpferden
ist sie
nicht deutlich ausgeprägt.
Mein Vater trug sich lange mit der Absicht, auf einer in
das
Faule Meer, Siwasch, vorspringenden Halbinsel von zirka
6000 ha
Größe Wildpferde anzusiedeln, um sie vor dem Aussterben zu
retten.
Leider konnte er aber solche nicht mehr bekommen. Es war
zu
spät.
In neuerer Zeit war die Meinung verbreitet, daß der
südrussische
Tarpan kein eigentliches Wildpferd, sondern nur ein
verwildertes
Pferd sei. Dagegen muß ich betonen, daß, abgesehen von der
gleich-
artigen Gestalt und Färbung und der eigenartigen
Lebensweise, kein
einziger der von mir eingehend befragten Augenzeugen diese
Ansicht
geteilt hat. Im Gegenteil haben alle, unter ihnen sehr
gute Pferde-
kenner und Pferdezüchter und auch mein Vater, ganz
bestimmt
behauptet, daß der südrussische Tarpan ein wirkliches
Urwildpferd
gewesen ist.
Hierbei entsteht ganz von selbst die Frage : Wie verhält
sich der
ausgestorbene südrussische Tarpan zu dem heute noch
lebenden
asiatischen Wildpferde? Der südrussische Tarpan ist
offenbar die Ur-
form derjenigen Hauspferde gewesen, die einst in den
südrussischen
Steppen von den Kosacken, Nogaiern, Kalmücken und anderen
gezogen
worden sind. In den Steppen Tauriens, des Don, Kuban und
am
rechten Unterlauf der Wolga wurde, bevor eine Vermischung
mit
Kulturrassen erfolgte, ein Schlag gezüchtet von mittlerer
Größe
mit leichtem, sehnigem Körperbau, starken trockenen
Beinen, gutem
Rücken, mit Hirschhals und ramsnasigem, aber trockenem
Kopf,
mit verhältnismäßig kurzer Mähne und kurzem Schweif. Es
war
ein Reitschlag, unter dem sehr oft Pferde vorkamen, die
die oben
erAvähnte graue Wild färbe hatten und dem Bau nach dem
ausge-
storbenen Tarpan außerordentlich ähnlich waren.
Im Gegensatz zu diesen südrussischen züchten die Kirgisen
und Baschkiren in den Gegenden östlich der Wolga und in
den
asiatischen Steppen und weiter nach Osten die Burjäten und
Mongolen
heute noch eine ganz andere Pferderasse von viel
kleinerem,
schwererem und plumperen Körper, mit schwerem, fleischigen
Halse
und Kopfe und mit struppiger Mähne und langem Schweife.
Unter ihnen kommen sehr viele wie Equus pr^ewalshii
falbfarbige
vor. Dieser heute noch sehr primitiven Hauspferdgruppe
entspricht
dem Bau nach das asiatische AVildpferd. Es ist nach meiner
Meinung
also offenbar die Urform der nordchinesischen und
mongolischen
Hauspferdrassen.
Auf der letzten großen, russischen Pferdeausstellung in
Kiew
waren auch Pferde der verschiedensten russischen
Naturrassen aus-
gestellt, unter denen sich auch einige Baschkiren-Pferde
befanden.
Diese dort ausgestellten Baschkiren-Pferde sahen den
asiatischen
Wildpferden verblüffend ähnlich, waren falbfarbig und von
demselben
Körperbau. Nur waren die Mähne und der Schweif länger und
buschiger. Die meisten hatten eine Aalstrich und Zebroid
streifen
an den Beinen und eine Stute sogar an der Stirn. Ich
kaufte 4
Stuten davon. Als sie der Landstallmeister Exellenz von
Oettingen,
der damals auch die Ausstellung besuchte, sah, war er sehr
entzückt
von der guten Beinstellung und schönen Gangart dieser
Tiere und
wollte sie unbedingt erwerben, um mit ihnen Züchtungs- und
Kreuzungsversuche in Trakehnen anzustellen. Auf seine
dringende
Bitte überließ ich sie ihm zum Selbstkostenpreis. Zwei
dieser
Stuten sind jetzt noch in Trakehnen.
Es wäre wünschenswert, daß diese Pferde von einem
Zoologen,
solange sie noch vorhanden sind, näher beschrieben und mit
Equus
przevalski verglichen würden.
Gewöhnlich sehen die asiatischen Wildpferde, die man in
Zoologischen Gärten sieht, sehr unvorteilhaft aus,
wahrscheinlich
infolge mangelhafter Bewegung und nicht zusagender
Ernährung.
Von meinen asiatischen Wildpferden, die ich nebenbei
gesagt 2 Jahre
früher als Hagenbeck, nämlich im Jahre 1899, und als
erster lebend
bekam, kann ich das nicht behaupten. Meine Wildpferde, die
ich
mit Hauspferden sehr viel auf der freien Steppe weidend
halte,
wo sie ihrer natürlichen Lebensweise entsprechend sich
bewegen
und sich ihnen zusagendes Futter erwählen können, sind in
ihrer
Art sehr schön und gut gebaute Tiere, wie aus den
beifolgenden
Photographien zu ersehen ist. Eine von ihnen stellt einen
von mir
gezüchteten Hengst vor, die zweite zwei importierte
Stuten, mit bei
mir geborenen Fohlen, und die dritte einen importierten
Hengst und
ein jüngeres Fohlen.
Zum Schluß möchte ich mein Bedauern ausdrücken, daß es
weder meinem Vater noch mir gelungen ist, trotz aller
Bemühungen
das noch vor kurzem in den Taurischen Steppen vorkommende
Wildpferd, den Tarpan, vor dem Aussterben zu schützen,
oder
wenigstens eine Haut oder ein Skelett davon zu erwerben.
Um
so mehr befriedigt mich das Bewußtsein, infolge dieses
großen
Interesses zum Wildpferd derjenige gewesen zu sein, der
die Wege
und Mittel ausfindig gemacht hat, um das asiatische
Wildpferd
endlich als erster lebend nach Europa zu bringen, und der
wissen-
schaftlichen Vergleichung zuzuführen.
Für die Erlaubnis, das Tarpan-Bild aus Beehms Tierleben
hier wiedergeben zu dürfen, danke ich der
Verlagsbuchhandlung
verbindlichst, ebenso Herrn Dr. Ramme für eines der
Bilder.
Tafel-Erklärung.
Tafel VI.
Oben links: 2 importierte Stuten mit Fohlen, die in
Askania-Nova geboren sind.
Unten links: Hengst, in Askania-Nova gezüchtet.
Oben rechts: Importierter Hengst und ein sehr junges
Fohlen.
Unten rechts: Südrussischer Tarpan. Mit Genehmigung der
Verlagsbuch-
handlung aus Brehm's Tierleben entnommenes Bild. (Bilder
nicht vorhanden)
Externer
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