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1. Juli 2012 aus aktuellem Anlass! / Update Dez. 2013

Reitverbot im Wald in Hessen scheint vom Tisch!

der wald ist
              für alle da!

8.10.2012 (abends) : Der Runde Tisch zum Entwurf eines neuen Waldgesetzes hat sich auf Empfehlungen für die Formulierungen der Betretungsrechte im neuen Waldgesetz geeinigt. „Die gegenseitige Rücksichtnahme aller Waldbesucherinnen und -besucher steht dabei an erster Stelle“, sagte Umweltministerin Lucia Puttrich nach dem zweiten Treffen des Runden Tisches am Montag.

Darüberhinaus hat der Runde Tisch beschlossen, eine Arbeitsgruppe einzurichten, die sich mit dem Thema Sport und Naturschutz im Wald beschäftigt. „Diese Arbeitsgruppe wird sich der Aufgabe widmen, Verhaltensempfehlungen für die unterschiedlichen Nutzer zu formulieren“, sagte Puttrich. Die Empfehlungen für das neue Waldgesetz lauten im Wortlaut:

Beschlußfassung des "Runden Tischs" vom 8.10.2012:

§15 Abs. 2 Waldbesucherinnen und Waldbesucher haben aufeinander Rücksicht zu nehmen, damit eine gegenseitige Belästigung oder Behinderung vermieden wird. Durch die Benutzung darf die Lebensgemeinschaft des Waldes nicht gestört, die Bewirtschaftung des Waldes nicht behindert, der Wald nicht gefährdet, geschädigt oder verunreinigt und die Erholung anderer nicht beeinträchtigt werden.

§ 15 Abs. 3 Radfahren, Reiten und Fahren mit Krankenfahrstühlen ist im Wald auf befestigten oder naturfesten Wegen gestattet, die von Waldbesitzerinnen und Waldbesitzern oder mit deren Zustimmung angelegt wurden und auf denen unter gegenseitiger Rücksichtnahme gefahrloser Begegnungsverkehr möglich ist. Fußgängerinnen und Fußgängern sowie Menschen, die auf einen Krankenfahrstuhl angewiesen sind, gebührt in der Regel der Vorrang. Das Anlegen von Wegen durch Waldbesucherinnen und Waldbesucher ohne Zustimmung des Waldbesitzers ist unzulässig.

§ 15 Abs. 4 Fahren mit Kutschen ist im Wald auf Waldwegen gestattet, die abweichend von Abs. 3 Satz 1 eine Nutzbreite von mindestens 2 Metern aufweisen.

§ 15 Abs. 5 Nr. 5, 6 Jedes Betreten und jede Benutzung des Waldes, die über das nach Abs. 1 bis 4 zulässige Maß hinausgeht, bedarf der Zustimmung der Waldbesitzerin oder des Waldbesitzers. Einer Zustimmung bedürfen insbesondere  …

5. Veranstaltungen, wenn sie zu einer deutlichen Beunruhigung der im Wald lebenden Tiere, einer Verunreinigung von Waldgrundstücken oder zu einer Beschädigung von Pflanzen führen,

6. die Durchführung von kommerziellen Veranstaltungen mit erwerbswirtschaftlicher Zielsetzung

(Quelle: Pressemeldung des HMUELV vom 8.10., Hervorhebungen in fett sind von mir; Unterstreichungen im Original)

Kommentar zu diesen neuen Formulierungen

Damit scheinen die Pläne interessierter Kreise vom Tisch, aus dem allgemeinen Betretungsrecht des Waldes für Erholungssuchende ein Recht der Wald- und Gutsherren zu machen, dies nach Belieben einzuschränken und insbesondere die Reiter und Biker aus diesem nahezu auszusperren. Beim "Runden Tisch" konnten offenbar diejenigen Kreise überzeugen, die auf ein sozialverträgliches Miteinander und gegenseitige Rücksichtnahme, sowie den Schutz des Waldes setzen.

Nun kann erwartet werden, dass die Formulierungen genau so in den Hessischen Landtag eingebracht werden. Dann wäre das (bisher schon zufriedenstellende) Reitrecht in Hessen in mehreren Punkten verbessert:

1) Die bessere Definition, was unter einem Waldweg zu verstehen ist, kann nicht mehr zu Unklarheiten in evtl. Diskussionen mit Jägern etc. führen, wenn diese evtl. irrtümlich annehmen, bloß auf befestigten Wegen dürfe geritten werden. "Vom Waldbesitzer angelegt" dürften hingegen all diejenige Wege sein, die im Geländeprofil erkennbare Wagenspuren zeigen, oder/und in der amtlichen Karte (TK25) als Wege ausgewiesen sind. Derart haben wir Reiter schon das bestehende Gesetz interpretiert.


2) Die bisherige, kaum anwendbare (weil nicht nachmessbare) Mindestbreitenregelung von 2m für Reiter entfällt, und wird durch ein praktikables Rücksichts- und Vorranggebot für Fußgänger und andere "Schwächere" ersetzt, wie es als Prinzip zur gegenseitigen Rücksichtsnahme im §1 der STVO verankert und den meisten hoffentlich bekannt ist. Die Reiter haben dies in ihren "trail rules" eigentlich seit jeher so verstanden.

3) Die in der 2. DVO von 1980 eingeführte Kennzeichnungspflicht ("Plakettenpflicht") für Reiter in vielen Hessischen Landkreisen entfällt. Diese wurde schon seit ca. 20 Jahren von Fachleuten wie Forstdirektor Horst Dippel als obsolet und eigentlich überflüssig bezeichnet, und wurde in den letzten Jahren auch kaum noch eingehalten. Der Aufwand für Herstellung, Ausgabe und Registrierung dieser Kennzeichen kann daher künftig entfallen.

4) Gruppenausritte bleiben bei solchen Regelungen ebenso möglich wie breitensportliche Reitveranstaltungen, Reiterrallyes und Distanzritte u. dergl.


UPDATE vom Dez. 2013:
Mit dem Hessischen Waldgesetz, beschlossen vom Landtag und verkündet am 8. Juli 2013 (www.hessen-forst.de/uploads/ueber-uns/hessische_waldgesetz_20130627.pdf) wurden alle kritisierten Punkte des Gesetzentwurfs fallen gelassen. Die Initiative war erfolgreich. De facto haben wir jetzt ein besseres und klareres Reitrecht als vor der Gesetzesänderung. Obendrein ist die Kennzeichnungspflicht (Plaketten) entfallen, und die Rechtsgrundlagen für die forstliche Genehmigung von Reiterrallyes, Distanzritte und Reitjagden sind bessere als vorher.
Entscheidend hierfür waren der enge Schulterschluss mit den Mountainbikern, die öffentliche Publizität (Printmedien, Hessenschau, Internet, Reiterdemo vor der Wiesbadener Staatskanzlei) und der freundliche Kontakt zur Ministerin.
Wir danken allen die mitgemacht haben!
Was die Aktion gezeigt hat: Auch unabhängige, nicht "organisierte" Reiter können etwas erreichen!
Was man sich für ähnliche Aktionen für die Zukunft wünscht: Dass die organisierten Verbände der Reiter (FN/ Hessischer Reiterverband, VFD) sich auch beteiligen!


Im Waldgesetz-Entwurf vom 25.6.2012 des Hessischen Ministeriums für Umwelt etc. (HMUELV) hiess es noch:

§ 15
"(1) Jeder darf Wald zum Zwecke der Erholung nach den Maßgaben von § 14 Abs. 1 Satz 3 und 4 des Bundeswaldgesetzes und der nachfolgenden Absätze 2 bis 4 betreten.
(2) Dem Betreten gleichgestellt sind das
1. Radfahren,
2. Fahren mit Kutschen und Krankenfahrstühlen sowie
3. Reiten
auf festen Waldwegen und auf Straßen im Wald. Feste Waldwege sind befestigte oder naturfeste Wege, die von nicht geländegängigen, zweispurigen Kraftfahrzeugen ganzjährig befahren werden können."

Kleiner Satz hinzugefügt, großer Unterschied im Recht! Im derzeit gültigen Forstgesetz steht es fast genauso. Allerdings ist nicht näher bestimmt, was ein "fester Weg" im Sinne des Gesetzes ist. Dieser Umstand wurde bislang meist dahingehend ausgelegt dass ein "fest eingerichteter Weg" (nach Topographischer Karte) ein fester Weg ist, mindestens aber jeder Weg auf dem Pferdehufe keine dauerhaften Spuren hinterlassen. Durch die Hintertür, den bislang unklar gefassten Begriff "festen Weg" sehr rigide einzuschränken, sollten das Reiten, Kutsch- und Radfahren auf den allermeisten Wegen verboten werden. Denn "ganzjährig mit nicht geländegängigen Kfz" (also mit normalen Pkw) befahrbar sind ungeschotterte Wege gar nicht, und selbst nur die wenigsten befestigten Fahrwege befahrbar. Denn diese werden im Winter ja weder geräumt noch gestreut. Das hätte zur Folge gehabt, dass schon lange legal benutzte reitbare Wege für alle Benutzergruppen außer Fußgänger verboten gewesen wären, falls die Eigentümer der Benutzung nicht ausdrücklich zugestimmt hätten.

Ungemach drohte auch durch:
"(4) Betreten mehrere Personen den Wald zur Verfolgung eines gemeinsamen Zweckes, steht ihnen das Betretungsrecht nur zu, wenn nach den örtlichen Gegebenheiten eine Beeinträchtigung des betroffenen Waldgebietes nicht zu erwarten ist.
(5) Jedes Betreten und jede Benutzung des Waldes, die über das nach Abs. 1 bis 4 zulässige Maß hinausgeht, bedarf der Zustimmung der Waldbesitzerin oder des Waldbesitzers."

Diese Vorschrift zielte offenbar in erster Linie auf Geocacher*) -  und gruppenweise fahrende Mountainbiker, trifft aber auch andere. Demzufolge hätte man vor jedem privaten Gruppenausritt wohl zunächst den zuständigen Waldbesitzer um Erlaubnis fragen müssen!

Im Falle eines Verstoßes drohten saftige Bußgelder bis zu 25.000,- bzw. 100.00,- (§28) sowie die "Einziehung" von "Gegenständen" mit deren Hilfe die Ordnungswidrigkeit verübt wurde (§29).


Unser Protest scheint daher wirklich etwas bewirkt zu haben, und ist insofern für manche vielleicht Lehrstunde in Sachen Demokratie. Realistisch betrachtet, haben wir die politische Kehrtwende aber doch eher dem viel stärkeren und öffentlichkeitswirksameren Protest der Radfahrer (Mountainbiker) zu verdanken. Diese hatten, obwohl durch den Gesetzentwurf nicht stärker betroffen als wir Reiter, angeführt vom Vorstand ihrer schlagkräftigen Interessenvertretung DIMB, im "Sommerloch" 2012 einen Proteststurm entfacht wie ihn die Bundesrepublik seit der geplanten Einführung des Waldgesetztes 1974 nicht mehr erlebt hat. Wir Reiter verschwanden dabei zeitweilig völlig aus der Presseberichterstattung, und manche, durch unsere Verbände nicht oder teils fehlinformiert, glaubten zeitweilig selbst, das neugeplante Gesetz beträfe nur die Biker. Dies haben wir, als kleines Grüppchen "freier Reiter", durch unsere Demo vor der Wiesbadener Staatskanzlei am 1.9. wieder richtig rücken können.
Der Formulierungsvorschlag des Runden Tischs entstammt in vielen Details den konstruktiven Vorschlägen der Mountainbiker, wie er vorher im breiten Kreis öffentlich diskutiert wurde (mtb-Forum). Dieser offen geführten und dynamisch sich entwickelnden Diskussion - die sich die Reiterverbände zum Vorbild nehmen sollten - waren am Ende wohl keine schlüssigen Argumente mehr entgegenzusetzen, sodass die Vernunft sich durchgesetzt hat. Nun sollten sich auch alle im Wald vernünftig und rücksichtsvoll verhalten!



wald für alle!
Pferd am 1.9.2012 vor der Hessischen Staatskanzlei - Foto Birgit Koll


Weitere Infos (teils historisch)

FAQ: Was wollen die Reiter?

Materialsammlung/ Infos zum Reitrecht

Trail Rules für Reiter

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