TAUNUSREITER
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NEU April 2016
Gedanken eines Araber - Reiters
(II)
Auf Pferdesuche, Besuch bei einem Züchter
Ich war auf der Suche nach einer zweiten Araberstute für Gelände-
und Wanderritte. Meine Tochter nimmt mehr und mehr meine erste
AV-Stute in Beschlag, und mein anderes Pferd zur Begleitung
zügiger Ritte wird langsam zu alt.
Es ist keine einfache Suche, denn Khorsheet hat ein schlicht
ideales Reitpferdegebäude, fast wie ein Araber-Berber, und mit
1,54m ist sie auch nicht gerade klein. Das neue Pferd soll in
allem gleich gut, aber etwas größer sein (rd. 1,57m) sein. Es soll
in (an-)reitbarem Alter, aber ruhig ungeritten und roh, vor allem
ein reitpferdetaugliches Gebäude sowie stabiles Fundament und
Sattellage haben, denn ich wiege etwa 80kg. Eine Stute, weil ich
mit ihnen am liebsten umgehe, und, wenn das Pferd sich als
wertvoll erweist (wovon bei sorgsamer Auswahl und meiner Art des
Umgangs und der Ausbildung fest auszugehen ist), ich für den
Eigenbedarf ("Nachfolgerpferd") weiterzüchten möchte. Deswegen war
ich an einem Samstag im April durch die Mitte Deutschlands
unterwegs, um ein als "distanzgeeignet" apostrophiertes
Verkaufspferd anzuschauen. Solche Apostrophierungen sind ja mit
größter Vorsicht zu genießen...
Ich bin kein Abstammungsexperte, wie sich ja viele den Anschein
geben, aber die Abstammung dieses Pferdes sagte selbst mir
etwas. Stutenlinie zurückgehend auf eine Kuheilan-Jellabiah,
von der schon Carl Raswan schreibt, und gleich nach den legendären
fünf Stammstuten des Propheten kommt. In der Hengstlinie
Urgroßvater ein bekannter Multi-Champion eines
Araberzucht-Pioniers aus dem Schwarzwald mit Ruf wie Donnerhall,
später in die USA umgezogen.
- Entsprechend begeistert bin ich schon vorab vom Pedigree. Auf
dem man ja bekanntlich nicht reitet. Billig ist sie nicht. Meine
Frau blieb vorsorglich zuhause denn "immer wenn ich mitkomme,
ist das Pferd nichts". Mein Pedigree-Urteil ist für mich
aber immer nur "um schon mal ein Bild zu bekommen" oder
dient zur Untermauerung eines eigenen echten Eindrucks. Es ist ein
Vor-Urteil. Im Nachhinein lässt sich dann viel oder auch
gar nichts beweisen, denn von 1000 möglichen Erfolgs- oder
Mißerfolgsfaktoren ist die Abstammung nur eine. Das ist meine
Meinung über Pedigrees: hoffnungslos überbewertet von Leuten die
von der Sache selbst nichts verstehen. Aber eben auch nicht völlig
wertlos. Besonders in romantischer Hinsicht, als Spielerei, oder
für Kindergeschichten...
Erster Eindruck nach 350km: Die Anlage, in idyllischer Lage, ist
ein ansprechendes, repräsentatives Anwesen. Wie schon der eMail-
und telefonische Kontakt offen, freundlich und daher
vielversprechend war, werde ich von der Züchterin auch in Empfang
genommen. Die infrage stehende Stute steht auf einem
Betonsteine-Paddock bereit, dahinter ihre Mutter. Groß ist sie
tatsächlich, hat gute Sattellage und ein hübsches Gesicht. Sie
wird fünf. Die gesamte Mähne ist nur 10-15cm lang (Sommerekzem?).
Dann sehe ich die Macken an den Beinen. Hinten rechts eine häßlich
vernarbte Verletzung. Von der wurde nicht berichtet. Sieht aus wie
eine Wunde die lange unentdeckt blieb; kein Wunder bei dem Matsch
in dem die übrigen 25 Pferde stehen. Die Narbe ist außen, Fessel
und Huf stehen schief nach innen. Ob der Knochen noch gerade ist?
Bewegen lässt sich die Haut gut. Schreit trotzdem nach Röntgen.
Mauke hat sie auch noch an den Vorderbeinen.
Sehr flach gewinkelte, kleine (weiße) Hufe, kaum Tragrand und
voller kleiner Risse und Ringe. Der rechte Vorderhuf flacher,
hutkrempenartig umgebogen, vom Hufbearbeiter schon ansatzweise
korrigiert (mehr ginge nicht, sonst ist gar kein Tragrand mehr
da). Ich frage, ob das Pferd schon mal Hufrehe hatte, die Antwort
ist nein. Später im Auto kommt mir der Gedanke: Bei Pferden, die
beim Grasen immer dasselbe Bein vorstellen, wird der entsprechende
Huf immer flacher, muss ab Fohlenalter korrigiert werden (und in
der Tat ist mir schon auf den Bildern ihr für die Größe kurzer
Hals aufgefallen). Mangels Gras war das Graseverhalten nicht zu
erkennen. Gebrochene Fesselachsen. Man kann, wissen nicht alle
Hufbearbeiter, Araberpferde nicht wie Warmblüter zurichten. Ich
bin schon dabei Kritik am Hufbearbeiter zu äußern, später sehe ich
aber noch zumindest ein korrekt hingestelltes 7-jähriges Pferd,
doch zu kleine Hufe (11-11.5cm) für die Größe auch hier.
Über den Matsch weiter zu sprechen erübrigt sich, denn die für die
Pferde eigentlich unzumutbaren Zustände sind auch der Eigentümerin
klar. Solarzellen von einem Ende zum andern der nicht eben kleinen
Dächer der Anlage, der neue Putz auf den Wänden, und der
bildertaugliche Sand-Reitplatz waren erkennbar wichtiger als
befestigte Paddocks für die Pferde.
Ich schaue mir die Mutter an, das empfiehlt sich beim Kauf einer
Stute stets. Die Stammstute und damit Herz des Gestüts ist ein
Produkt direkter Inzucht (Vater-Tochter-Anpaarung) mit einem World
Champion; offenbar herrscht ein aktuter Mangel an asilen Hengsten,
der derartige Anpaarungen nötig macht. In der Wüste soll
dergleichen ja einst vorgekommen sein, aber heutzutage in Europa?
Schlechte Hufe, hochgradig lahm, ungünstige Oberlinie, ein
bemitleidenswertes Geschöpf. Fünf Fohlen, diese wiederum von
nicht-asilen Hengsten. Wer macht denn sowas?, frage ich,
vordergründig auf die Inzucht bezogen. Die Stute war angekauft.
Wie kann man auf so einem Pferd eine Zucht gründen? - Die
Ergebnisse stehen gut sichtbar überall herum, niemand will sie.
Bekommen Sie dieses Jahr auch Fohlen? - Nein - Gottseidank.
Ich lasse mir die Fünfjährige vorführen. Nicht im Sandplatz im
Innenhof, der ist voller Pfützen und sicher knietief, da gibt es
nichts relevantes zu sehen, sondern auf dem harten Fahrweg vor dem
Hof. Was? Ja, der ist doch schön asphaltiert. Das wollte wohl noch
niemand. Auf 100m hin und zurück kein einziger gerader Tritt.
Dafür wieder den extrem zur Seite abgebogenen Schweif, wie auf den
Fotos schon. Ich habe, muss ich bemerken, in tausenden
Distanzritt-Kilometern noch kein einziges richtig gerittenes
Pferd gesehen, das den Schweif schief trug. Und weil selten klar
zu entscheiden ist, liegt der Mangel nun beim Pferd, beim Reiter,
oder einer Kombination aus beidem, kämen etliche, auch
distanzprämierten Hengste für meine eigenen Stuten nie infrage.
Und bin allgemein skeptisch, ob man sie ohne Behandler-Hilfe
gerade kriegt. Hoch tragen soll der Araber den Schweif ja, aber
nicht schief, und vor allem nicht dauernd zur selben Seite!
In einer schattigen Ecke stehen noch 3 Stuten im
sprunggelenktiefen Matsch, mit etwas in den Dreck geworfenem Heu,
schauen mit gespitzten Ohren, würden gerne herkommen, trauen sich
aber nicht, ein mitleiderregendes Bild. Sind die auch zu
verkaufen? Klar, im Prinzip sind es alle. Dann möchte ich die auch
gerne sehen. Da kommen sie mal kurz raus aus dem Matsch :
Hinterhand vorständig, Vorhand rückständig, seitlich schief - kaum
ein gerades Bein, obwohl ich eigentlich alles andere als ein
Fehlergucker bin - was wirklich ein Fehler ist, zeigen ja Strecke
und Belastung über viele Jahre. Was aber nicht bedeutet, dass man
auf Biegen und Brechen mit hoffnungslosen Exemplaren einen Versuch
zu starten braucht, der mit dem Ruin des betreffenden Tieres enden
muss.
Das an Beinen und Hufen noch beste Pferd des Sammelsuriums hat
schon mit 7 und ungeritten einen Rücken mit, wie das heute
beschönigend gern heisst, "viel Schwung" (mehr als bei
meinem Pony nach 30 Reitjahren). Ich hebe trotz des Drecks bei 4
Pferden die Hufe auf um sie anzuschauen. Überall derselbe fast
nicht vorhandene Tragrand. Jeden einzelnen Huf muss ich vom Boden
losdrehen. Den Hufbearbeiter scheinen sie trotzdem zu kennen, ich
sehe keine überlangen Hufe. Aber auch keinen Milimeter Tragrand
mit dem ich, außer vielleicht auf Wiese, auch nur 50km im Monat
barhuf reiten möchte. Außer dem "Hää?, was willst Du, meine
Huuufe?", sind sie alle lieb und zugewandt, keins wirkt scheu,
rauh behandelt oder sonstwie verhaltensauffällig. Richtig nette,
liebe Araberpferde eben, wie sie sein sollen. Das macht es ja so
traurig.
Papiere sind (wie schon vorab telefonisch erklärt) schon seit
Monaten beim Zuchtverband um sie umzuschreiben und die Abstammung
einzutragen, weil man das bei einer 5-jährigen offenbar nicht
vorher schafft, oder die Gebühren nicht gezahlt hat. Das Pferd
wurde nie vorgestellt, die übrigen vermutlich auch nicht. Trotz
der gesehenen, von mir freundlich angesprochenen Mängel bin ich,
der Freundlichkeit der Züchterin wegen, noch nicht mal völlig
abgeneigt, natürlich wird mir auch preisliches Entgegenkommen
angedeutet, und natürlich gibt es auch ein Stück Wurst vom Grill
zum Abschied. Erst auf der Rückfahrt wird mir das ganze Ausmaß
dessen klar, was ich da in fast 3 Stunden gesehen habe. Vielleicht
ist das ja heute normal. Vielleicht sind sie ja heute so, die
nicht reitenden "Züchter" mit der Erfahrung von nicht viel mehr
als 10 Jahren? Geld ist ja heute für viele im Überfluß vorhanden,
aber das Knowhow scheint sich nicht im gleichen Maße verbreitet zu
haben, und jeder meint, das beste Material zu haben. Wie
ahnungslos muss man sein, wie selbstgewiss, Schaupferde züchten zu
wollen, aber die Nachzucht nicht mal zur Eintragung vorzustellen?
Oder ungerittene Pferde als Distanzgeeignet anzubieten, nur weil
sie freilaufend im tiefen Boden Beine hochgeworfen haben? Müssten
die alle von den Nachzucht-Verkäufen leben, würden bei manchen die
Züchterträume binnen zwei Jahren ausgeträumt sein.
Dass der "Markt kaputt" ist, ist da noch am wenigsten zu beklagen.
Gesundschrumpfung ist oft die einzig erfolgversprechende Kur.
Sicher wird man auf guten Pferden auch heutzutage nicht so lange
sitzen bleiben. Diese imitierten Zuchtbetriebe (die von
außen so aussehen als wären sie Zuchtbetriebe, und sich auch so
geben und präsentieren, obwohl ihnen die Grundlagen dazu fehlen)
müssen aus dem Markt. Genau wie ihre unseligen Zwillinge, die
imitierten Ausbildungsbetriebe.