Westfaelischer Reiter
TAUNUSREITER
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NEU 13. Januar 2013
/ Aktualisiert April 2015

Inhaltliche Fortsetzung der Ausarbeitung über Altstrassen

Erster Chausseebau (Straßenbau) im Taunus und lokale Wirtschaft im 19. Jh.

Verkehrstechnische Ausgangssituation im Gebiet zwischen Frankfurt und Limburg (Herzogtum Nassau und Umgebung) um ca. 1825 bis 1850

Nassau 1848 (Quelle
                      Wikipedia)
Zu Beginn des 19. Jahnhunderts verlief der Vekehr größtenteils noch immer über die seit dem Mittelalter oder der Frühzeit bestehenden, niemals genau erfassten, geschweige denn in Karten gezeichnete oder beschilderte, manchmal von Bauern oder der Obrigkeit willkürlich verrammelten, oft nur bei Einheimischen bekannten unbefestigten natürlichen Landwege und Ortsverbindungswege - trotz der zu dieser Zeit stark ansteigenden Bevölkerung, Gewerbe, Bergbau und lokaler Kleinindustrie wie Töpfer- und Schmiedewaren.
Hessen war zu dieser Zeit in mehrere, wirtschaftlich und verkehrstechnisch ungünstig geschnittene und auf Dauer nicht lebensfähige Kleinstaaten zersplittert. Die Fürsten hatten nur soweit Interesse am Straßenbau, als dies zu miltärischen oder Postzwecken diente, trotz vollmundiger Bekundungen auch den "Commertz" fördern zu wollen.
Hinweise über die vorhandenen "gebauten Straßen" (Chausseen) in unserem Gebiet liefert am zuverlässigsten die Preußische Generalstabskarte 1:86.400 (PGK), sowie die Karten der Tranchot-Müffling'schen Landesaufnahme.

Die Karte links zeigt das Herzogtum Nassau. Bei seiner Gründung 1806 hatte das Gebiet rd. 303.000 Einwohner. Obwohl die größten "Städte" darin sehr klein waren - Wiesbaden (5.000) und Limburg (2.600) - war das spätere Kernland Hessens mit rd. 62 Einwohner/qm. mäßig, nicht dünn besiedelt. Der ganz überwiegende Teil der Nassauischen Bevölkerung lebte also in Dörfern, was aber nicht bedeutete, dass er auch als landbesitzender Bauer ein Auskommen hatte. Aus der Not heraus waren die meisten Kleinbauern und Kleinhandwerker oder Tagelöhner zugleich. Als Zugtiere in der Landwirtschaft verwendete man die Milchkühe, von denen man in der Regel nicht mehr als zwei besaß. Ochsen für die Feldarbeit zu haben kündete von Wohlstand, der Besitz von Pferden von Reichtum.
  • Chaussseen sind gebaute, d.h. mehrschichtig befestigte [zeitgenössischer deutscher Begriff hierfür=] Kunststraßen, seit ca. 1760 nach französischem und britischen Vorbild gängig, waren häufig mit Alleebäumen markiert (daher die charakteristische Darstellung in Karten des 19.Jh). Sie wurden üblicherweise vom Landesherren finanziert, haben Namen (nicht Nummern, wie heutzutage). Frühe Chausseen waren oft mautpflichtig (Chaussee- oder Zollhäuser), ein Konzept, was sich in verarmten ländlichen Regionen wie der unsrigen aber nicht durchsetzte. Sie entsprechen heutigen gut gebauten Forstwegen mit wassergebunder Decke, aber etwas breiter, damit sich zwei Fuhrwerke problemlos begegnen können. Für Reiter und Kuhgespanne ohne Klauenbeschlag gab es direkt daneben meist noch einen unbestigten Sommerweg in ähnlicher Breite.
  • Landwege ist die Bezeichung für ungebaute Hauptverbindungswege und Altstraßen, die zum Betrachtungszeitraum (noch) nicht zur Chaussee ausgebaut waren. Sie entsprechen heutigen unbefestigten Feld- und Waldwegen auf Naturboden, d.h. sie waren je nach Witterung und Benutzungsgrad oft sehr nass und zerfahren und entsprachen im 18./19. Jh. nicht mehr den gestiegenen Verkehrsaufkommen. Für Landwege fühlte sich eigentlich niemand richtig zuständig. Hindernisse wegzuräumen, blieb der Eigeninitiative der Reisenden überlassen. Da es damals keinerlei Karten gab in denen sie verzeichnet waren, noch irgendein angelegtes Straßensystem, und auch Wegweiser so selten dass ihr Aufkommen sogar als Flurname geläufig war ("An der Eisernen Hand" u.ä.) war ihre Benutzung mit Fuhrwerken nicht allein hindernisreich sondern auch von genauer Ortskenntnis der Fuhrleute abhängig. Sie waren noch Postwege-tauglich
  • Ortsverbindungswege sind noch eine Kategorie darunter. In den ersten topografisch halbwegs präzisen Karten mit Ortswegedarstellung als einfache Linie dargestellt (die bedeutsameren Landwege als Doppellinie)

Es gab im nassauischen Gebiet hauptsächlich Nord-Süd-Chausseen, die auch als Poststraßen genutzt wurden:

1.) Homburg-Weilburger Landstraße zwischen Bad Homburg, Usingen, Grävenwiesbach nach Weilburg. Die Straße wurde zu Anfang des 19. Jh. vom Herzogtum Nassau und der Landgrafschaft Homburg gebaut. Man hatte kein Geld den Straßenbau zu bezahlen, daher mussten die Untertanen diese im Frondienst errichten! Entsprechend lange dauerte der Bau, und war das Ergebnis dürftig. 1817 wurde der Saalburgpass gebaut, 1829 wurde Grävenwiesbach, und 1836 wurde Weilburg erreicht. Einen Anschluß nach Süden, von Homburg nach Frankfurt (über Bonames, Preungesheim) gab es gleichfalls lange nicht.
Vom Wehrheimer Berg zog die erste Chaussee kerzengerade in den Usinger Grund hinab und war dort für den Frachtverkehr viel zu steil.
Für eine elend steile, kerzengerade, 5km lange Chaussee vom Homburger Schloss zum Jagdhaus am Sandplacken (Elisabethenschneise, 1821) war allerdings Geld genug da. Vielleicht war der Fürst nicht gut genug bei Gesundheit um zur Jagd reiten zu können, dann wäre die Chaussee nicht benötigt worden. Sie diente sonst keinem speziellen Zweck und war für Lastfuhrwerke untauglich.

2.) Frankfurt-Kölnische Landstraße von Höchst über Königstein, Esch, Camberg und durch den Goldenen Grund nach Limburg
Diese Straße (heutige B8) stellt sozusagen den Vorläufer der A3 dar, und war, errichtet zwischen 1768 und 1780, die erste Chaussee im Gebiet.
Sie ging auch nicht direkt von Königstein nach Frankfurt, sondern wurde erst über ein Vierteljahhundert später, nach vielfachen Querelen als gebührenpflichtige "Königsteiner Straße" 1819 kerzengerade (und damit für den damaligen Lastverkehr eher ungeeignet) durch die Hügel des Vordertaunus nach Höchst am Main geführt.

(Orange markiert auf der PGK Blatt "Frankfurt" : Elisabethenstraße römischen Ursprungs, 1829 unchaussierter Landweg)

3.) Hühnerstraße von Wiesbaden über Neuhof, Kirberg nach Limburg (heutige B 417)*)
Basis für diese war ein frühzeitlicher Höhenweg. Idstein war von dieser nur über 15km Landweg-Abzweig erreichbar (Siebenküppelstraße/ Idsteiner Postweg ab dem Forsthaus Platte von der Hühnerstraße abzweigend).
Bei Mensfelden befand sich ein Zollhaus (Mautstelle), eine weitere war wohl an der Platte Wiesbaden (bis heute Schlagbaum an der alten Straßenführung östlich der heutigen Schnellverkehrsstraße.
*) genaues Straßenbaudatum unbekannt, wohl vor 1819 (da von Tranchot-Müffling als Chaussee kartiert)

4.) Bäderstraße von Wiesbaden über Kemel nach Nassau (heutige B 260)
Diese war um ca. 1830 **) von Wiesbaden erst bis Kemel, Kreuzungspunkt vieler mittelalterlicher Straßen, fertig und ging zudem über die Steilstücke südlich und nördlich von Langenschwalbach (heute Bad Schwalbach), anstatt wie heute (und ihr frühmittelalterlicher Vorläufer) dieses westlich auf der Höhe umgehend. Von Nassau her kommend war sie bis Singhofen fertig. Dazwischen kpnnte man sich auf Landwegen durchschlagen.
**) Bearbeitungsstand der Preußischen Generalstabskarte 1829

Westlich der Bäderstraße gab es in Hessen-Nassaus gab es keine Straßen. Hier galten noch die Auswirkungen des (Zolleinnahmen- motivierten) mittelalterlichen Verkehrszzwanges auf den Rhein. Das Rheingaugebirge war überdies für Fuhrwerke durch das s.g. Rheingauer Gebück (eine urwaldartige Buchenhecke mit einzeln angelegten Toranlagen) gesperrt.
Koenigsteiner Strasse
Als einzige Ost-West-Straßenverbindung des Gebietes gab es die

5.) Wiesbaden-Frankfurter Chaussee über Erbenheim, Hattersheim, Sindlingen und Höchst, 1813 durch Herzog Friedrich August von Nassau in Auftrag gegeben und 1819 fertig gestellt - in obiger Karte südlich der Elisabethenstraße verlaufend. Diese bekam ab 1839/40 Konkurrenz durch die Taunusbahn (erste Eisenbahn auf hessischem Gebiet)

Frachtwagen frühes 20.Jh, zweispännig

Typische Frachtfuhrwerke konnten unter günstigen Umständen (gebaute Straßen, nicht zu starke Steigungen) vom Mittelalter bis zur Neuzeit maximal 30km am Tag zurücklegen und dabei maximal 5 t. Last befördern. Unter ungünstigen Umständen viel weniger, waren mit Vierspännern und auf gut ausgebauten Straßen - erst im 19.Jh.- auch maximal 10 t möglich, wobei dann schon Klage geführt wurde dass die schmalen Eisenreifen die Straßen beschädigten. Die meisten Kleinhandwerker beförderten ihre unter der Woche gefertigten Waren Freitag nacht oder Samstag früh zu Fuß zum nächstgelegenen größeren Markt und kehrten Sonntags ebenso zu Fuß nach Hause zurück, üblicherweise über normale Feld- und Waldwege. Genau wie Bäuerinnen mit ihren landwirtschaftlichen Erzeugnissen. Für sie alle waren gebaute Straßen mit, bei natürlichen Wegen nie vorkommendem, gleichmäßigem Steigungsverlauf eine große Erleichterung.

Von 1850 bis ca. 1890 im Taunusgebiet gebaute Straßen

Die Bezeichnung "Taunus" für unser Gebirge stammt von altsprachlich gebildeten, städtischen Naturfreunden, die 1868 - nicht etwa im Taunus, sondern Frankfurt - den "Taunusklub" gründeten. Die Bewohner hatten keinen besonderen Namen für das Gebirge vor ihrer Haustür, das sie schlicht "die Höhe" nannten - daher die vielen Ortsnamen mit diesem Zusatz.
Diese Naturliebhaber empfanden das Nichtvorhandensein von Straßen zum Feldberggebiet und den dahinter liegenden Taunusdörfern als sehr ungünstig, der nicht einmal Hilfslieferungen von Lebensmitteln zu den damals noch häufigen Hungersnotzeiten möglich machte. Solange hier die Hessen regierten war damit allerdings nicht zu rechnen. Erst die Besetzung durch Preußen, die 1866 das Herzogtum Nassau beendete, machte hier Hoffnungen.

6.) Kanonenstraße (Oberursel-Schmitten)
Die Preußen gingen gleich ans Werk und begannen in Oberursel (damals Standort wichtiger Industriebetriebe, in die viele Bewohner der Taunusdörfer arbeiten gingen) mit dem Bau der von den Bewohnern der befürchteten Benutzung wegen Kanonenstraße genannten Chaussee nach Schmitten (1871-1878). Noch heute kann man, wenn man diese per Rad hochfährt, die gelungene Linienführung bewundern, die in ganz gleichmäßiger Steigung von 4-5% resultiert. Im Straßenbau waren damals viele sozial schwache Taunusbewohner beschäftigt, die durch Kleinstlandwirtschaft und Kleinsthandwerk meist kein Auskommen erwirtschaften konnten. Vermutlich hoffte man auch, dass die Handwerksbetriebe ihre Erzeugnisse so besser als Vorprodukte an die Oberurseler Industrien liefern konnten. Da die Schmittener Eisenbetriebe aber hauptsächlich handgeschmiedete Nägel herstellten, wurden sie schon ab 1860 von Maschinenbetrieben nahezu restlos verdrängt.
Kanonen sind auf der Kanonenstraße wohl nie transportiert worden, trotzdem galt sie noch im Kalten Krieg noch als "strategisch wichtig" und hatte an einer Engstelle des Urselbachs noch um 1995 drei eingelassene Schächte für mögliche Sprengungen im Kriegsfall.

7.) Weiltalstraße (Schmitten-Weilburg)
Im Weiltal gab es bis ca. 1870 überhaupt keine Straße. Der Verkehr zu den dort gelegenen Dörfern zweigte über Landwege von der Frankfurt-Weilburger Chaussee ab, oder dem mittelalterlichen Landweg. Auf der Karte des Deutschen Reiches von 1885 (KDR) ist sie von Schmitten in Richtung Weilmünster bis Weilburg fertig gezeichnet, wird also kurz zuvor gebaut worden sein.

8.) Bad Nauheim-Usingen-Idstein-Bad Schwalbach
Auffälligerweise ist auf der KDR 1885 die Usatalstraße (heutige B 275) von Bad Nauheim über Usingen bis zur Landsteiner Mühle (Einmündung Weilstraße) fertig gezeichnet, jedoch fehlt die Fortsetzung nach Westen, d.h. in Richtung Neuweilnau-Riedelbach führen nur Ortsverbindungswege. Auch die Kleinsiedlung Tenne (ehemalige Sommerfrische, Hotel, und Taunusklub-Stützpunkt) existiert noch nicht.
Aus Esch in Richtung Idstein sind zwei Chaussee-Ansätze eingezeichnet, der nördliche davon wohl irrtümlich (ist der steilere, frühere Landweg), ebenso finden sich zwei mögliche Streckenführungen vor Idstein.
Tenne (ca. 1930)
Tenne ca. 1930 (hinteres Gebäude ist das 1990 abgebrannte Hotel). Der Blick geht aus Richtung Steinfischbach kommend in Richtung Mauloff, entsprechend dem Verlauf der Camberg-Usinger Poststraße (Landweg, Vorläufer der Chaussee über Riedelbach im 19.Jh.)
KDR 506 Ausschnitt
KDR 506 Ausschnitt. Drei Höhenwege/Altstraßen, um 1893 als Ortsverbindungswege markiert. Fürstenweg und Hohe Straße (beide noch existent) und Alte Poststraße (Wiesbaden-Idstein-Limburg), heute von der A3 überbaut.
Die parallel verlaufende Main-Lahn-Bahn (Limburger Bahn) wurde 1877 eröffnet.
Idstein (PGK)
Derselbe Ausschnitt auf der PGK (1829). Idstein war nur über Landwege erreichbar.
Umgebung Riedelbach
KDR, Stand 1885: Die Chaussee zwischen Landsteiner Mühle und Esch ist noch nicht fertig, die Alte Camberg-Usinger Poststraße (über Finsternthal) noch in Gebrauch, auch der Landweg von der Höhe Tenne über Steinfischbach nach Esch.
Die Rennstraße hat bereits an Bedeutung verloren durch die fertiggestellte Weiltal-Chaussee und wird nur noch als Ortsverbindungsweg geführt.


Riedelbach_1935 Riedelbach 1935. Die Benennung zur Reichsstraße 275 (heute B 275) erfolgte ca. 1936, der Bau der Ortsumgehung ca.1942, vermutlich zur Ertüchtigung als militärische "Aufmarsch-Straße" im Zusammenhang mit dem Flugplatz Merzhausen und dem Führerhauptquartier Kransberg/Ziegenhain. *) Der frühere Hauptweg nach Süden/Finsternthal (im Ort "Bergstraße") wurde dabei abgeschnitten. Dass er mal weiter ging ist heute kaum noch bekannt. Beim Bau der Umgehung wurde offenbar auch ein im Weg liegender Bauernhof mit 2 großen Nebengebäuden eingeebnet. Die angrenzenden Wiesenflächen konnten so nur noch umständlich angefahren werden und verfielen zu Gehölzen.
(wird fortgesetzt!)

Links

Landesgeschichtliches Informationssystem des Landes Hessen (LAGIS):
http://web.uni-marburg.de/hlgl/lagis/suche.html

Historische Topografische Meßtischblätter (Uni Greifswald):
http://greif.uni-greifswald.de/geogreif/?page_id=4484

*) Mitteilung einer alten Nachbarin: Die Amerikaner seien nach dem Einmarsch im Mai 1945 bereits auf der Umgehungsstraße über dem Ort, nicht durch den Ort durchgefahren

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