TAUNUSREITER
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Update Juni 2019
Der Wolf, das Restrisiko,
und der Rotkäppchen-Vorwurf
In letzter Zeit hören wir oft, wir müssten mit dem Wolf halt
leben. Oder noch besser, "lernen" mit ihm zu
leben.
Warum "müssen" wir eigentlich? Weil er auf einer Schutzliste
der EU aufgeführt ist, von wo er bei entsprechenden politischen
Entscheidungen (ada objektiv ungefährdet/"least concern") ganz
schnell wieder weg sein könnte? Wenn man nur wollte, seitens der
politisch Verantwortlichen..!
"Man" will aber nicht. Stattdessen sollen sich halt die
Bürger ducken. Vor einer Liste der EU. Kinder soll man ja eh
beaufsichtigen, wenn sie im Wald spielen. Hunde anleinen. Und wer
nachts durch den Wald geht, muss eben wieder mit allem rechnen. Wie
vor 200 Jahren.
Der baden-württembergische Staatssekretär Andre Baumann verstieg
sich gar zur Behauptung, "Wölfe leisteten wertvollste Dienste für
die Kulturlandschaften" (stimme.de vom 15.5.2017).
- Welche denn, bitte? Dass sie Wildtiere und Schafe bei
lebendigem Leib auffressen, demnächst auch auf der Schwäbischen Alb?
Gibt es in Baden-Württemberg etwa einen eklatanten Mangel an Jägern
oder Schlachthöfen, die das Töten der Tiere fast schmerzfrei
erledigen? Kann man den Wölfen beibringen Gras und Gesträuch zu
fressen und beim Landschaftsschutz mitzuhelfen?
Mich erinnern diese Sprüche sehr an die in den 1980'ern oftgehörte
Litanei, man müsse halt mit der Atomkraft und ihrem "Restrisiko"
leben. Mittlerweile will das selbst die Bundesregierung nicht
mehr, und hat den Ausstieg beschlossen. Was steckte damals dahinter?
Die Vorstellung eines gesellschaftlichen Konsens, dass die Atomkraft
zwar nicht ganz ungefährlich sei, aber der Nutzen das
Risiko mehr als aufwiege, und deshalb akzeptierbar wäre. Der Nutzen
der Atomkraft war dabei: Billiger Strom für alle, rund um die Uhr
(auch wenn die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht) und
qualifizierte Arbeitsplätze, mit denen die dort Beschäftigten nicht
nur eine Familie ernähren sondern noch ein Haus abbezahlen konnten.
Das ist in Zeiten der "Energiewende" zur großen Seltenheit geworden.
Was war falsch an dieser Vorstellung? Eben, dass sie nicht
von allen so gesehen wurden. Vor allem nicht denen, deren
Heimat zufällig ausgewählt wurde "Endlager" strahlenden Abfalls für
Jahrtausende zu werden. Dass ein Teil der Gesellschaft dem anderen
solche Vorstellungen von Nutzen und Risiko nicht aufdrücken
kann.
Beim Wolf funktioniert das ebensowenig. Auch da ist das Risiko für
den einzelnen Menschen (Leute die am Waldrand wohnen und ihre Kinder
im Wald spielen lassen etc.) durch den Wolf sehr gering.
Der Wolf und sein "Nutzen"
Kommen wir zum "Nutzen". Dieses Argument ist schwach, genau wie sein
Gegenargument - weil anthropozentrisch: Kein Lebewesen muss einen
"Nutzen" nachweisen um seine Existenz zu rechtfertigen. Offenkundig
bietet der Wolf keine Vorteile wie billigen Strom und
wirtschaftliche Prosperität. Auch wenn einige der Wolfsfreunde die
Bewohner von Wolfsgebieten für so blöd und hinterwäldlerisch halten,
um den "Wolfstourismus" als mögliche Einnahmequelle aufzufahren.
Okay, Touristen kommen unter bestimmten Bedingungen in die Natur.
Glauben die Städter, diese Leute die am Waldrand wohnen, oder gern
in ihm spazieren gehen, brauchen den Wolf, weil sie sonst nicht
bemerken was Natur ist? Oh nein, sagen diese Leute
die nahe an der Natur wohnen, der Wolf fehlt uns überhaupt nicht!
Wir ziehen es vor, am Wald zu leben ohne uns um unsere
Kinder Sorgen machen zu müssen. Oder um unsere Schafe oder Pferde.
Wem der Vergleich mit der Atomkraft zu weit hergeholt erscheint,
nehmen wir einen, der von Wolfsfreunden gern bemüht wird: Der
Straßenverkehr. Verglichen mit der Zahl der Toten im Straßenverkehr
sei der Wolf doch echt ungefährlich, jedenfalls eine geringere
Plage. - Vergessen wird auch hierbei der Nutzen des
Verkehrs, dass die Wirtschaft Deutschlands ohne Straßenverkehr nicht
funktionieren würde, und 80% der Menschen ohne Auto nicht an ihre
Arbeitsplätze kämen. Sie fahren also "nicht zum Spaß". Andererseits
sind Fahrweise und Jahreskilometerleistung zumindest nicht ganz
"aufgezwungen".
Oder Wildschweine oder freilaufende Kühe und Bullen, auch diese
werden als Vergleich bemüht. Diese sind keine Raubtiere, und
werden dem Menschen nur gefährlich wenn sie ihre Jungen oder ihre
Herde verteidigen wollen. Jemand der sich vorsichtig und achtsam in
der Natur bewegt, wird sich zurückziehen wenn er einer Wildsau mit
Jungen gegenübersteht. Unfälle sind nicht ausgeschlossen. Aber etwas
anderes ist es, wie mit der Ansiedlung eines gefährlichen
Raubtieres, ein neues Risiko bewusst hinzuzufügen. Im
privaten Leben nennt man so etwas fahrlässiges Handeln. Und wenn man
ein Risiko anderen versucht schönzureden, ist es grobe Fahrlässigkeit.
Und die ist strafbar.
Wenn wir nun schon den Luchs haben, können wir dann nicht
auch mit dem Wolf leben? - Der Luchs lebt äußerst zurückgezogen.
Anders als der Wolf ist er wirklich menschen- und
zivilisationsscheu. Von ihm geht keine Gefahr aus, auch nicht für im
Wald spielende Kinder. Anders als der Wolf, ist er ein genügsamer
Jäger, der nur reißt, was er auch auffressen kann, und strebt nicht
nach Ausbreitung seines Lebensraums. Er ist als Katzentier zu
"stolz" um in menschlichem Zivilisationsmüll zu wühlen oder Abfälle
zu fressen.
Der Wolf bringt also keinen Nutzen für unser Ökosystem.
Nicht den mindesten. Er schadet der Weidewirtschaft massiv, damit
auch der Landschaftspflege. Und alles, was er der Waldlandschaft
als Raubtier "Gutes" tun kann, kann der menschliche Jäger besser,
schonender, und mit mehr Rücksichtnahme auf seltene Tierarten. Mit
dem Wolf sind viele Tierarten, darunter manche die selbst geschützt
sind, in Gefahr zu verschwinden, und unsere Natur wird verarmen. Was
man dem menschlichen Jäger höchstens vorwerfen kann, ist dass er zu
selten und zu rücksichtsvoll jagt, nach einer
tradierten Waidgerechtigkeit, die versucht "faire Bedingungen" zu
schaffen. Der Wildschweinplage wird er so nicht mehr Herr. Aber auch
dem Wolf wird der Schwarzkittel Schwierigkeiten schaffen. An ihn
geht er als letzter heran, wenn "ungefährlichere" Beutetiere alle
verspachtelt sind. Ein einzelnes Wildschwein hat von einem einzelnen
Wolf kaum etwas zu fürchten. Sie müssten es denn zu mehreren
angreifen. Die Wildschweine sind aber so schlau, sich in immer
größeren Rudeln zu vereinigen wenn sie vom Wolf bedroht sind.
Soweit zur steilen Behauptung, der Wolf "sei nützlich für
unsere Kulturlandschaft", oder fürs Ökosystem."Die Präsenz
des Wolfs zeigt, dass die Natur auf einem guten Weg ist"
- und wie praktisch, diese Art von "Naturschutz" ist ganz umsonst zu
haben. Man kann ganz in der Nähe Großbauten errichten, Flächen
versiegeln, Industrie und Bergbau dürfen ohne Rücksicht auf
natürliche Ressourcen wirtschaften - es wird den Wolf bestimmt nicht
stören..!
Die "Angst"
Als letztes Pseudo- und Totschlagsargument wird dann der Vorwurf
der Angst gebracht. Wir sollen doch keine "Angst" vor dem
Wolf haben, wir seien doch keine kleine Mädchen mit roten
Mützchen... Aber Leute, die aus verständlichem Grund besorgt sind,
in die Nähe von Angsthasen zu rücken, ist eine Frechheit und
Respektlosigkeit, das ist nicht sachlich, sondern "Argumentum
ad hominem". Dasselbe gilt für das Statement, dass es eine Wolfshysterie
gäbe. Was macht man mit Leuten die unter einer Phobie leiden?
Man behandelt sie, und braucht sie so nicht ernst zu
nehmen. Wie praktisch. Sofern nicht als reine Polemik und zum
politischen Kalkül gedacht, also von Machtträgern verwendet, sondern
tatsächlich ernstgemeint, verraten derartige Vorwürfe viel
über die Menschen die sie äußern: vor allem einen bedauernswerten
Mangel am Empathie. Für die Sorgen anderer Menschen sowohl als
auch für das Leiden der Tiere, die der Wolf leider oft alles andere
als "schmerzlos, mit dem Kehlbiß" zur Strecke bringt, sondern sie
häufig bei lebendigem Leibe anfrisst und dann leben, d.h. grausam
und langsam sterben lässt.
Es geht überhaupt nicht um Angst. Es geht um den Menschen.
Es ist der Mensch, der unsere Kulturlandschaft gestaltet
hat, und der die Verantwortung trägt. Auch für das stundenlange
Schreien eines angefressenen Rehs, oder Fohlens. Es nicht ohnmächtig
anhören zu müssen. Eine Natur, zu der Gott oder jemand ähnliches uns
den Schlüssel gegeben hat, "nun liegt sie in Deiner Hand!",
oder vielleicht haben wir den Schlüssel auch nur gestohlen: Sei es
wie es sei, nun stehen wir in der Verantwortung und können sie nicht
abgeben! Wir können die Wildnis, wo sie existiert, vielleicht
bewahren, aber keine neue machen.
Es geht - weiter mit der Anthropozentrik - um Rechte, Lebensqualität,
öffentliche Sicherheit und staatliche Daseinsvorsorge, und um deren
langsames Verschwinden. Dazu gehörte jeher der Schutz des
Bürgers vor "Straßenräubern und Raubtieren" -- der dafür im
Gegenzug auf's Recht verzichtete, selbst Waffen zu tragen um
sich im Bedarfsfalle verteidigen zu können. Diese Vereinbarung, auf
der im Grunde unsere gesamte Zivilgesellschaft beruht, ist nicht
"einseitig" kündbar. Sonst müssten auch die Waffen wieder
freigegeben werden. Will das jemand?
Was wird als nächste Zumutung von uns erwartet? Die Freiheit
verschwindet nie als Ganzes und mit einem Streich, sondern immer
scheibchen- und stückweise, von vielen unbemerkt. Es geht um das
durch Dauerpräsenz des Wolfs ad absurdum geführte freie
Betretungsrecht des Waldes (§14 Bundeswaldgesetz), was
bestimmten Interessengruppen schon immer ein Dorn im Auge war. Diese
können sich jetzt über den Wolf freuen, da er mithilft,
Erholungssuchende zu verjagen und einzuschüchtern.
Die Ethik des Tierhalters
Das Tierschutzgesetz verlangt als obersten Grundsatz den Schutz
der uns anvertrauten Tiere vor unnötigen Schmerzen und Leiden.
Das Anfressen von Schafen, Kälbchen und Fohlen bei lebendigem Leibe,
was eine Nottötung unumgänglich macht, ist an Bestialität und
"unnötige Schmerzen und Leiden" unüberbietbar. Weidetierhalter in
Gebieten mit vielen Wölfen sind in einem entsetzlichen Dilemma:
Unfähig ihre Tiere vor dem Wolf schützen zu können, was sie
als ethische Verpflichtung empfinden und tun wollen, nach
dem Tierschutzgesetz sogar tun müssen, aber nach jetziger
Rechtslage nur in Nothilfehandeln nach §34 StGB tun dürfen.
Nämlich den Wolf zu töten der ihre Tiere angreift. Der Wolf tötet
dabei sogar Pferde (NABU News, Oranienburger Heide, 14.
April 2016; 5 Fohlen in Crawinkel/ Thüringen, Mai 2019).
Es geht darum, dass unsere Tiere artgerecht leben dürfen,
das heisst draußen in der Natur. Die Zeit der
Stalltierhaltung war eigentlich gerade vorüber. Insbesondere die
Pferdehalter mussten dafür über Jahrzehnte kämpfen. Die Zäune, so
sicher und verletzungshemmend sie auch immer sein mögen, sind dabei
das Problem. Sie sind nie absolut unüberwindlich für den Wolf,
verhindern aber das Weiterziehen und Flüchten der Weidetiere, um ihm
auszuweichen. In der "freien Natur" hätte der Pflanzenfresser, also
das Rehlein, eine "faire Chance" vielleicht nicht lebendig
angefressen zu werden. Sobald irgendwo Zäune stehen, kann man nicht
mehr sagen "Pech gehabt, so ist halt Natur". Schon gar
nicht, wenn da irgendwo auch Straßen sind, auf die ein Tier in Panik
läuft. Deutschland ist leider etwas dichter besiedelt als Sibirien
oder Canada. Man sollte da mit den Analogiebildungen etwas
zurückhaltender sein.
"Weidetierhalter müssten halt wieder lernen mit dem Wolf zu
leben", fordern da einige. Vom dünkelhaft-überheblichen
Duktus dieser Forderung abgesehen (der Hinterwäldler muss
endlich mal lernen wie man vernünftig Zäune zieht) abgesehen
offenbart sie noch eine bemerkenswerte Unkenntnis. Denn vor
200 Jahren, oder im Mittelalter, "lebte" man mit dem Wolf, indem man
ihm mit der Schusswaffe oder minder geeigneten und gewiss nicht
tierfreundlichen Mitteln wie dem Gift und der Wolfsangel zu Leibe
rückte. Die Weidetiere waren damals nicht eingekoppelt sondern
wurden von Hirten bewacht, die selbstverständlich auch bewaffnet
waren. Sie standen nicht auf eingezäunten Weiden sondern wurden über
Hutungen getrieben, ähnlich wie bei heutigen Wanderschäfern, nur
dass man dies auch mit Rindern und Pferden machte. Sofern man die
Aufsicht Kindern übergab, wurde auch mal eins vom Wolf angegriffen.
Dann rückten die Dorfbewohner aus und töteten den Wolf, wie noch bis
vor kurzem in einigen Gebieten Indiens. Eine Weidetierhaltung im
modernen Sinne erlaubte erst der Stacheldraht (seit 120 Jahren),
bzw. der Elektrozaun (seit 60 Jahren). Nachdem der Wolf bereits
verschwunden war.
Leider sind gewisse Wolfsfreunde zugleich Gegner jeder
Tierhaltung, und nutzen den Wolf weidlich als
politisches Instrument um diese immer mehr zu erschweren, z.B. durch
finanziell/rechtlich unerfüllbare (leider dem Wolf gegenüber wenig
wirksame) Auflagen zum Zaunbau. Dem ist mit der nötigen politischen
Schärfe entgegenzutreten, vor allem auch durch unsere
Interessenverbände (Tierzucht und Pferdesport). Mittlerweile gehen
sie so weit, Kürzungen der Landwirtschaftsförderung und andere
"Strafen" zu verlangen, wenn Zaunbauempfehlungen nicht eingehalten
werden. Die solche Forderungen gutheißen, können sich vielleicht
nicht vorstellen, wie anders unsere Kulturlandschaften, abseits der
inmitten der Agrarsteppen liegenden industriellen
Massentierhaltungen, dann in 10-15 Jahren aussehen würden. Vielen
fehlt dafür auch schon der Blick, da sie um Natur zu sehen
Flugurlaube buchen. Manchen auch Verhältnismäßigkeit, erkennbar an
der wutentbrannten Gegenfrage: Sollen wir den Wolf denn
stattdessen ausrotten!? - Liebe Leute, am Deutschen
Wesen kann die Welt nicht genesen : Wir können den Wolf in
Deutschland weder retten noch ausrotten! Allenfalls
verdrängen. Dazu gibt es zuviele von ihnen. Woanders und
mittlerweile auch wieder bei uns.
Die unbekannten Opfer
Zum letzten Punkt, der steilen Behauptung,
es sei in Deutschland "seit Jahrhunderten" kein Mensch mehr vom Wolf
getötet worden: Das
ist nachweislich falsch! Hierfür müsste der Nachweis erbracht
werden können, dass in Waldgebieten (insbesondere Wolfsgebieten)
verschwundene Kinder nicht vom Wolf verschleppt und
gefressen worden sind. Diesen Nachweis zu führen, ist offenkundig
unmöglich. "Wahrscheinlichkeiten" genügen nicht. Die im Falles eines
verschwundenen Kinds gerufene Polizei hat gar nicht die Mittel nach
Wolfsspuren zu suchen. Die ermittelt Täter (=Zweibeiner).
Wo in einem dichten
Wald- und Wolfsgebiet (worüber fast nirgends Eltern
informiert und "beunruhigt", von Jägern aufgehängte Warnschilder
sogar "behördlicherseits" abgehängt und verfolgt werden!) ein Kind
verschwindet und auch nur der leise Verdacht besteht dass
Wölfe damit zu tun haben könnten -- wäre es da nicht
verantwortungsvoller, alle Wölfe des betreffenden Gebiets aus
Gründen der öffentlichen Sicherheit, juristisch höherwertiger als
jeder Artenschutz, der im Falle des Wolfs höchst fragwürdig ist, zu
töten? Anstatt im Namen einer unzulässigerweise auf Tiere
ausgedehnten Unschuldsvermutung den Verdacht totzuschweigen,
und dadurch fahrlässig weitere Menschen zu gefährden? Doch halt: Das
hätte für viel Ärger und böses Blut gesorgt (Bruno Problembär lässt
grüßen), die betreffenden Entscheider und Politiker zur Zielscheibe
militanter Tierschutzextremisten gemacht. Und das geht ja nicht....