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Ritt durch Nordhessen und Thüringen/
erster Ritt am Rennsteig/ II. Thüringer Wanderritt
2. Sept. 1990.
(Originalnotizen aus dem Reisetagebuch zu meinem zweiten
DDR-Ritt)
Wir sind mal wieder unterwegs, mein Kamerad Alex und ich. Seit
nunmehr 10 Jahren durchstreifen wir die hessischen Lande, und
bisweilen führen uns unsere Steifzüge auch weiter fort. 14 Tage will ich
diesmal reiten, jetzt erstmal in Richtung Mühlhausen nach Thüringen. Es ist
mein zweiter Wanderritt ins Thüringische. Die Grenze zur DDR (noch gibt es sie als
eigenen Staat!) ist erst seit Anfang diesen
Jahres auch für Reiter offen. Schon im April (kurz vor der letzten
DDR-Volkskammerwahl) war ich mit Doris von
Wasserlosen in Unterfranken aus etwa 7 Tagesmärsche durch
die DDR geritten, damals noch mit offiziellen Grenzkontrollen,
und oft hörten wir, die ersten Reiter aus dem „Westen“ gewesen
zu sein. 1990 und die offen gewordene DDR, das ist wie ein
Rausch. Es ist ein herrliches Land für Reiter: Wunderschön, auch
voller Widersprüche, Gegensätze und Überraschungen. Und zugleich
voller Hoffungen. Es macht neugierig und Appetit auf mehr.
Und auch dieses Mal will
ich wieder durch die Rhön
zurückreiten, die seit meinem dreiwöchigen Franken-Wanderritt
(im April 1988) einen unwiderstehlichen Reiz auf mich ausübt,
und die ich seitdem noch zweimal durchritten habe.
Gut ist auch, dass
Reitkameradin Dagmar mich mit ihrem Hängergespann heute ein
Stück weit gefahren hat (bis nach Eifa, kurz hinter Alsfeld).
Ihr Daihatsu Rocky Geländewagen, der die Autobahnberge auch
mit Hänger beinahe plattbügelt, ist mit "satten" 90 PS zur
damaligen Zeit ein echtes Traumauto für Pferdeleute... und
für mich als Student noch unerschwinglich. Mein erstes
Zugfahrzeug wird ein Renault 18 Kombi mit 70 Saugdiesel-PS
sein. Erst drei Jahre später werde ich einen gleichwertigen
Zugwagen haben, einen kurzen Nissan Patrol K160 mit 3.3l
Turbodiesel.
Das Stück zu fahren spart drei Reitetappen durch bekanntes
Gelände. Es ist doch schöner, wenn man gleich im unbekannten
losreiten kann. So gibt es keinen Grund zu eilen, ich kann mir
von Anfang an Zeit lassen. Alex ist im besten Trainingszustand:
Vor 14 Tagen sind wir den Distanzritt Trendelburg (61,4km) in 4:20 Std.
geritten, also Tempo 4,2 – keine schlechte Leistung für das Pony
mit nur 1,38m Stockmaß.
1. Tag. Alsfeld-Knüll, 33km --
Gestartet sind wir, d.h. Pony Alex und ich, heute mittags 12:20.
Ein wunderschöner, geradeführender Weg der alsbald in
Kiefernwald eintaucht. Wir traben das erste Stück an, recht
langsam noch damit Alex sich an das Gepäck gewöhnt. Alles ist
gut festgezurrt, nichts schwingt mit – so muss das sein. Über
die Felder bei Lingelbach.
Es wird drückend schwül: wir sehen zu, dass wir wieder in den
Wald kommen. Hinauf führt der Weg. Schon zweimal bin ich
abgestiegen um zu führen. Jetzt überwiegt Fichtenwald, das soll
sich heute nicht mehr ändern. Ein alter winkliger Pfad führt
steil den Berg hinauf. Nach 1 ¾ stündigem Ritt erreichen wir Burg Herzfeld (11km).
Das Pferd wird an einer Eiche vor der Burg angebunden und ich
stärke mich mit Bier und Erbseneintopf in der Burgschänke.
Um ¼ vor 3 reite ich
weiter, hinab ins Tal zum winzigen Ort Gehau, dann auf den Rimberg wo ich die A5 überquere. Das
Wetter ist jetzt kühler geworden. Endlos zieht sich der Weg
durch den Wald, wunderbares Sandstein-Geläuf. Wir traben dann
und wann und ich spiele auf meiner neuen Mundharmonika. Das
Pferd freut sich und läuft prima.
Wir sind gut bepackt, aber
nicht übermäßig. Es ist doch gut dass Sommer ist, da braucht man
weniger Klamotten und kann auch an Ausrüstungs-Gewicht sparen
(guter Kocher und Vorratsflasche, Isomatte usw.). Man merkt es
auch jetzt, wo das Wetter eigentlich nicht total gut ist: schon
den ganzen Tag bewölkt, teilweise sah es schon stark nach Regen
aus. Trotzdem konnte ich fast die ganze Zeit im T-Shirt reiten
so warm war es.
Um ¼ nach 4 bin ich in Ibra, wieder
durchquere ich ein Tal, wieder geht es bergauf. Aber ich führe
nur ein kleines Stück; der Aufstieg ist nicht so gnadenlos steil
wie vor einer Stunde bei Gehau auf den Rimberg.
Wieder geht es über einen
waldigen Berg, ins Aula-Tal, nach Wahlshausen. Wie schon
der letzte Ort ist auch dieser nicht sonderlich schön: hässliche
weiße Neubauhäuser, breite Straßen usw. Jetzt beginnt der lange
Aufstieg zum Eisenberg, mit 636m der höchste der Knüllberge.
Hinter diesem Berg will ich auf einer hochgelegenen Weide Biwak
machen. Es geht über gepflegte Wiesen, dann durch Fichtenwald.
Mäßig steil geht es bergauf, ich führe mal wieder. Ganz gerade
führt der Weg, jetzt über die mit gutem Gras bestandene
Hochfläche. Erinnert mich etwas an die Rhön, aber zu meinem
Mißvernügen ist alles bis auf das kleinste Stück eingekoppelt
und abgemäht, zudem mit Wegen bestens erschlossen.
Aber schließlich finde ich
um ¼ nach 6 – nach etwa 33km und 5 ¼ stündigem Ritt ein etwas
abgelenen Streifen, wo ich sofort mein Laufseil spanne und ein
Feuerchen mache. Alex läuft hier zufrieden grasend umher, nur
etwas mürrisch wegen der ständig niedergehenden kleinen Schauer.
Jetzt aber sehe ich im Südwesten so etwas wie hellen Himmel.
Vielleicht wird es morgen ja etwas besser.
2. Tag. Hersfelder Wälder 48km Mo, 3.9.1990
Ich will zum Schloß Ludwigseck.
Immer im Wald führt der Weg, nur einmal genieße ich den Ausblick
auf ein wunderschönes Dorf, Ersrode. Das Schloß
erreiche auf seinem herrlichen, eichenumstandenen alten
Zufahrtsweg, dessen letztes Stück heute leider durch eine
Pferdekoppel abgesperrt ist. Aber egal, ich wollte sowieso auf
dem gleichen Weg wieder zurück. Ich mache kurz, von 11:15-11:35
Rast. Alex frisst Brennesseln.
Ich will wieder zurück auf
den Höhenweg, die Alten Straße, und reite dabei durchs Malchustal, auch hier
wunderschöne alte Bäume. An der Jagdhütte mache ich
Mittagspause, es ist 5 nach 12. Zwar ungeschützt unter freiem
Himmel aber der Regen hat gerade eine Pause eingelegt. Ich
vespere und um ¼ nach 1 reite ich weiter. Erneut beginnt es zu
regnen. Meine Stimmung wird nicht besser. Ob das heute gar nicht
aufhört?
Jetzt habe ich wieder den
Höhenweg erreicht, die Alte
Straße vom Homberg nach Hersfeld erreicht (mit einem H
markiert). Im ersten Abschnitt um den Kirchrück herum, einen der
mächtigsten Hügel hier, ist sie teils versperrt, dann aber führt
sie als unausgebauter Sandstein-naturweg über waldige, neblige
Höhen. Keine Ortschaft ist zu sehen, auch keine Straßen gibt es
zu überqueren, ringsherum nichts als Wald..! Wenig solcher
dichtgeschlossene Waldgebiete gibt es bei uns noch, und doch
muss es vor langer Zeit in ganz Deutschland so ausgesehen haben.
Kein Mensch begegnet uns. Oft passiere ich schöne alte
Buchenwälder, mit Eichen untermischt. Am Gebrannten Kopf zweigt
die Alte Straße vom Hersfelder Höhenweg östlich ab. Mein
Kartenlesekönnen ist gefordert, und auch den Kompass muss ich zu
Rate ziehen, denn viele Abzweige hat der Höhenzug und bloß einer
ist der richtige!
Nun nach Osten! Dass der
mittelalterliche Verkehr diesen Weg nahm, mag ich kaum glauben,
denn der weg ist gerade mal 3 Meter breit – nichts gegen manche
alte Fernstraßen von 12 Metern Breite und mehr. Und es fehlen
die charakteristischen Wegesrinnen, die man sonst so oft sieht.
Nach zweistündiger Walddurchquerung nach Karte und Kompaß (welche mich zu diesem,
in der Zeitschrift "Freizeit im Sattel" abgedruckten Artikel
inspiriert) erreiche ich erstmals wieder zivisierten
Boden im Dörfchen Tann.
Wunderschön ist der sich
hinab ins Rohrbachtal senkende Weg. Dort reitend erreiche ich
nach einer weiteren Stunde Friedlos, wo mächtiger Autoverkehr herrscht (B27).
Hier überquere ich die Fulda. Sehr schön führt der Weg am Fuße
des Gellenbergs entlang, wenig später ist das alte Dorf Kathus erreicht. Ich
habe mich entschlossen, hier noch nicht zu übernachten (es ist
erst 5 Uhr), obwohl Alex heute schon viel gelaufen ist.
Stattdessen besorge ich bei einer sehr netten Bäuerin Hafer. Das
dauert ein Weilchen, denn es gehört auch ein Schwätzchen über
das Woher und Wohin dazu. So kommt auch das Pferd zu einer
viertelstündigen Pause.
Nicht mehr sehr weit will
ich reiten: Ich mache noch einen Abstecher zum Seeloch, einem
lauschig gelegenen alten Erdfall. Im nahegelegenen Breitzbachtal mache
ich – es ist 10 nach 6 - im
Wald mein zweites Biwak. Alex ist heute über 8 Stunden gelaufen.
Gleich beginnt es wieder leicht zu regnen, ich spanne wieder
meinen Regenponcho auf. Das Pferd bekommt über Nacht und am
nächsten Morgen gut 5kg Hafer und bleibt unter dem Woilach
eingedeckt; ich schlafe recht gut.
3.Tag.
Seulings- und Werrawald 45km Di, 4.9.1990
Am Morgen bin ich erstmal
überrascht, dass es nicht
regnet. Ich füttere und lasse das Pferd nochmal grasen und
starte erst um 10 nach 9. Vor uns liegt der Seulingswald, und
ein herrlicher Naturweg führt bergan – durch schönen Buchenwald,
aber auch viele Eichen und Kiefern gibt es. Der Nebel wird
dichter. Das Pferd steigt langsam bergauf. Ein herrlicher Wald.
Oben auf der Höhe wechselt das Bild, auch Kahlschläge
(Sturmschäden) gibt es, aber ich kann jetzt traben. Ich reite
flott heute morgen, das Pferd wird warm. Es wird heller,
endlich bricht die Sonne durch. Ich bin voll Freude: Soll die
Regenzeit vorbei sein?
Ich muss über die
Autobahn, ein Steg
soll hinüber führen. Doch der Zugangsweg ist reichlich
verwachsen, und mich beschleichen ernste Zweifel. Doch zum
Glück, er ist noch vorhanden, hat allerdings Treppenstufen und ist
sehr schmal, eher eine Fußgängerbrücke! Doch Alex ist bei
solchen Sachen mutig, scheint wohl selbst zu ahnen dass ihm
ansonsten ein hässlicher langer Umweg bevorstehen würde. Treppen
liebt er nicht, aber er geht sie zur Not (an der Hand).
Durch schönen jungen
Eichenwald kommen wir zur Wüstung Hammondseiche, eine alte
Kirchenruine. Hier waren wir vor 4 Jahren schon einmal auf
unserem ersten Drei-Wochen-Wanderritt (Nordhessen
Oktober
1986, 582km in 19 Tagen) . Heute geht es flott
weiter, die langen Kieswege werden mit dem gut beschlagenen Pony
getrabt. Am Wirtshaus an der Straße nach Kleinensee (Bodesruh)
mache ich um 11:40 Mittag. Die Wirtschaft ist nichts besonderes,
Alex hat Gras zu fressen, um 10 vor 1 reite ich weiter.
Thüringen ruft! „Mit Sankt
Georg für die Reiterei!“ Mit diesem Ruf galoppiere ich bei
Widdershausen durchs Werratal. Schon lange vorher hatte ich
einen herrlichen Blick auf das weite Tal, bloß schade dass es so
diesig ist. Den ersten Flecken Thüringens, Dippach, erreiche ich
um 2 Uhr nachmittags. Ich nehme den alten Weg über die Höhe nach
Berka, einer hübschen alte Stadt mit Stadttoren. An der fein mit
Kopfsteinpflaster chaussierten schmalen Straße nach Herda trabe ich flott
entlang, zum Erstaunen der Trabbi- und westlichen Fahrer. Schön
sind die thüringischen Dörfchen, auch wenn ich in vielen der
Häuser und Gehöfte nicht wohnen möchte. Die meisten aber sind in
gutem Zustand. Nur wenige sind noch wirklich DDR-typisch.
Ziegel, Bauteile und andere Materialien die auf der Straße
gelagert werden, oder Trümmer die etwa s länger liegen bleiben
vor dem Wegräumen. Die Kopfsteinpflaster in den
Ortsdurchfahrten, die hoffentlich nicht so bald dem freien
Verkehr geopfert werden (Anmerkung
25 Jahre später: Enttäuscht , wie so viele andere Hoffnungen
der deutschen Einheit). Am schönsten ist es in die Orte
hineinzureiten. Die unbefestigten Ortsverbindungswege, alte
Wegkreuzungen mit Lindenbäumen, rechts und links die kleinen,
fast nur zu Fuß erreichbaren Gärtchen, alte Hohlwege die mir
nichts, Dir nichts direkt bis ins Ortsinnere führen, Wege an
Scheunen und Schuppen, die vom Erfindungsgeist ihrer Erbauer
zeugen. Selten gibt es diese Vielfalt noch bei uns, wo alles der
„Ordnung“ geopfert ist, der kleinste Weg asphaltiert und
ausgeräumt sein muss, Bäume in der Landschaft störend sind, und
alles maschinen-, nicht menschen- und naturgerecht sein muss.
Wie schön ist da die alte
steile Trift von Herda hinauf, übersäht mit Schafspuren auf
Sandsteinboden. Sechs Meter tief ist der eingeschnittene, von
Büschen und Eichen umstandene Weg, der durch eine viele Hektar
große Heide- und Grasfläche führt. Leider hat uns der Regen nun
doch eingeholt, es hat nichts genutzt, flott zu reiten. Dafür
begleitet mich nun ein kleiner Junge auf seinem Fahrrad.
Auf meiner westdeutschen
Karte ,für das Gebiet der DDR bezüglich der Zeit nach 1945 nur
ganz rudimentär korrigiert, steht eine eingleisige Eisenbahn
eingetragen, ohne Böschungen – ich denke dass wir wohl irgendwie
hinüberkommen werden. Was nicht eingetragen ist, ist die zum Bau
dieser Bahn erforderliche 20 Meter tiefe Schlucht, die in den
Berg gegraben oder gesprengt wurde, und die auch noch hindurch
führende Straße. So stehe ich mit dem Pferd am Abhang:
kilometerlang kein echter Übergang. Ich reite rechts und links,
schaue hier und da, steige ab und suche zu Fuß, steil bergauf
und bergab, durch Gestrüpp, völlig verwucherten Wald usw. Auf der Bahnstrecke
verkehren derweil fast im Fünfminutentakt Schwergüterzüge
beladen mit ostdeutschem
Kali, mit dem man dieser Tage offenbar ein Mordsgeschäft machen
kann, gezogen von doppeltbespannten russischen Dieselloks, ob
ihrer Geräuschentwicklung auch „Taigatrommeln“ genannt
Anmerkung:
Kurz nachdem sich das "merkwürdige Geschäft“ nicht mehr
lohnte, wurde die Bahnstrecke
Förtha-Gerstungen, 1962-1992, ehemals
Interzonenzugstrecke, auf der auch noch der erste IC von
Frankfurt nach Leipzig fuhr, abgebaut. Heute geht bloß noch
die –verbreiterte – Hauptstraße durch den Bergeinschnitt;
der Übergang ist nach wie vor –Stand
2014- auch mit Pferd möglich, wenn auch
schwierig.
Als ich gücklich drüben
auf der anderen Seite bin, kann ich erkennen warum wohl kein
Interesse an der Fortsetzung des alten Fahrwegs bestand: Hier
beginnt ein Panzer- und Schießplatz. Hektarweit ist der Wald
gerodet, ein unschönes Bild. Hätte ich beim Hinweis des Jungen „Da war die GST“
genauer nachfragen sollen? Meinte er damit nicht, wie von
mir gedacht, die Gesellschaft
für Sport und Technik, sondern die Grenzspezialtruppen..? Zum Glück
gibt es noch den alten auf meiner Karte verzeichneten Weg, auch
wenn ich ihn ohne Kompass wohl nicht gefunden hätte. Von diesem
rechts oder links abzuzweigen wäre aber angesichts der Schilder
„Achtung Blindgänger!“ u.ä. nicht sehr ratsam.
Später führt der Weg durch
"ganz normalen" Wald, und ist eigentlich sehr schön und
erholsam, senkt sich dann langsam durch hochgelegene Weiden
hinab nach Sallmannshausen. Den Ort erreiche ich um 5 Uhr
nachmittags, überquere die Werra erneut, und bin gleich wieder
im Westen über die offene Grenze. Erneut schwärzt sich nun der
Himmel, und es beginnt wieder zu regnen. Ich habe keine Lust
mehr, Alex auch nicht. Wir überqueren noch die Autobahn, sehen
die schöne alte Buntsandstein-Talbrücke
bei Wommen. Die Steinbogenbrücke, als Reichsautobahnbrücke
gebaut, die als eine der wenigen den Krieg überlebte, 45 Jahre
gesperrt, unbenutzt und verwaist, aber gleich nach der Wende
wiedereröffnet, war nur eine Hälfte der schon ursprünglich fest
geplanten zwei Brücken (für jede Richtungsfahrbahn eine), und
demzufolge wird hier der Autoverkehr auf je eine Fahrspur
verengt. Trotzdem ist das noch um Längen schneller als der 40
Jahre lang gefahrene Umweg. Die Brücke
wird zwei Jahre später (also 1992) duch eine fast gleiche
Zwillingsbrücke aus Stein und Stahlbeton ergänzt, fast wie
ursprünglich geplant, die heute (2015) ebenfalls schon unter
Denkmalschutz steht.
Unser erster Thüringer
Abstecher findet sein Ende im nächsten hessischen Ort, Breitzbach, wo ich um
Unterkunft nachfrage, und wir gleich beim ersten Bauen Glück
haben und um 17:50 den Ritt beenden.
4.
Tag. Ringau und Werratal 62km Mi, 5.9.1990
Ich starte um halb 9 in
Breitzbach. Alex hat in der Nacht gut gefressen und ich nehme
rund 5kg Hafer mit. Das Wetter ist kühl , windig und
wechselhaft. Um 6 Uhr war klarer Himmel, nun hat es sich wieder
ziemlich bewölkt. Aber von einem kürzeren Schauer abgesehen
bleibt es trocken.
Wir gehen gleich auf die
waldige Höhe. Für einen Moment kommt die Sonne heraus, ich
genieße den glitzernden Birkenwald am Grenzsteifen. Ein feiner
Gutshof, Rittersberg, und rundherum viel feingeschotterte Wege
zum Traben. Alex ist nicht so fleißig heute und ich muss ihn
mehr antreiben als mir lieb ist. Um kurz vor elf erreiche ich Lüderbach auf einem
schönen, mit Bäumen gesäumten, steilabführenden Weg. Kurz danach
geht es wieder über die Grenze nach Thüringen. Am vorgelagerten
„Schutzzaun“ (der früher Elektrodraht hatte) entlang nach dem
Weiler Wolfmannsgehau.
Der Zaun ist um den Ort herum noch nicht abgebaut, denn er gibt
auch einen 100% ausbruchssicheren Viehzaun ab. Lauter schöne
alte Höfe; einer hat sogar schon eine Parabolantenne (Anm.2015: Heute nennt man
die Dinger meist Satellitenschüsseln und sie sind nicht mehr
so selten, auch selten eine Zierde für alte Häuser…)
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Meine Wünsche werden voll und ganz
getroffen: Hütte,
Tische und Bänke, sogar überdacht, erst jüngst errichtet
– und dazu ein schmaler hoher Turm, allerdings von der
Volksarmee. Das schönste aber ist der Panoramablick,
einen schroffen Abhang hinab ins Werratal von Treffurt
bis Wanfried. Nach der Vesper überlege ich, dass der Blick vom Aluminium-Gitterturm ja noch besser sein müsste... Kurzerhand besteige ich den mit Seilen abgespannten Turm. Es gibt schmale ungesicherte Sprossen, die hinaufführen, und auf windiger Höhe eine Spitze mit Beobachtungsplattform überdacht von einer Pilzdach aus Glasfaserplastik mit einigen recht verkratzten Plastikluken. Wieder herabgestiegen finde ich, dass nach mir ein Kleinbus mit zwei Ingenieuren eingetroffen ist, die den Turm begutachten sollen, zwecks Eignung als Mobilfunksender. Sie sehen mich absteigen, verzichten aber ihrerseits auf eine Besteigung – und nur ein paar Jahre später wird der Turm zum „offiziellen“ Aussichtsturm umgebaut, und ist bis heute zugänglich... |
In so schöner Lage liegt es nah, die Mittagsrast etwas in die Länge zu ziehen, von 20 nach 12 bis 10 nach 2. Weiter will ich nach Treffurt auf dem Höhenweg, mit Namen Triftweg, reiten. Fürs erste benutze ich den Grenzerweg entlang am Zaun, steil die Hühneburg hinauf. Durch große Obstgärten erreiche ich um 10 nach 3 das historische Pflaster Treffurts. Ich führe bis zum Marktplatz mit seinem herrlichen 1606 erbauten Rathaus, und kaufe im dortigen Konsum Brot ein. Als ich aus dem Laden herauskomme, steht eine Menschentraube um das vorschriftsmäßig auf einem Parkplatz abgestellte Pferd. Ein grobgeschnitzter zahnloser Mann fragt mich freundlich, ob ich das Pferd verkaufen will. Er lässt nicht locker, und so beginne ich ihm zu erklären, dass es sich hierbei um einen Isländer handelt; diese Pferde seien nicht billig, und das verunsichert ihn schließlich etwas. Dennoch hätte ich gern ein Angebot von ihm erfahren.
Die hessischen mit den
thüringischen Städten zu verbinden war eine meiner Ideen für
diesen Ritt. So reite ich als nächstes nach Wanfried, etwas
weiter werra-abwärts gelegen. Schlecht zu reiten ist die
Chaussee zur Grenze, und so mache ich mich – kaum im Westen –
wieder nach Osten über die Werra hinüber, nach Großburschla. Dieser
Ort bildete eine DDR-Enklave inmitten der BRD und hatte über 40
Jahre zu keinem Nachbarort eine direkte Straßenverbindung außer
ins 10km entfernte Schellmannshausen. Jetzt sind die alten
Straßen und Ortsverbindungswege wieder geöffnet. Der Ort ist
ziemlich heruntergekommen, aber auch hier sind die Zeichen des
Neuanfangs unübersehbar. Überall wird gebaut, ausgebessert, es
gibt handgemalte Wegweise zum Heldrastein, der fast ein halbes
Jahrhundert nicht bestiegen werden durfte, da im Grenzgebiet
hinter dem Sperzaun liegend. Sicherlich eine Viertelstunde hatte
ich im ausliegenden Gipfelbuch geblättert. Jemand schrieb, er sei
vor 65 Jahren das letzte Mal hier gewesen…
Ein schöner alter
Ortsverbindungsweg – so müssen sie vor 50 Jahren alle ausgesehen
haben führt wieder über die Grenze nach Völkershausen, einem
schönen Fachwerkdorf mit großem Stiftsgut.
Um kurz nach 5 bin ich in
Wanfried, mache mich
dort auf den Weg zur Post und hole dort Camera,
Spirituskocher und Eßbesteck ab, die ich mir habe nachschicken
lassen. Dann will ich wieder über die Grenze (zum wievielten
Male heut eigentlich?) nach Osten. Nicht entlang der
Bundesstraße will ich, sondern oben auf der Katharinenberg, wo
ich hinwill, wird sicher irgendwo schon ein Loch in den Zaun
gemacht worden sein. Damit rechne ich jedenfalls. So reite ich
den steilen Waldweg zum Karnberg (Karrenberg?) hinauf, und Alex
läuft jetzt wieder eifrig, zeitweilig war es furchtbar mit ihm.
Wir erreichen den Zaun – im ehemaligen Todesstreifen führt ein
Schäfer seine Herde. Todesmutig oder wohl wissend dass es hier
ungefährlich ist? Wir grüßen einander winkend, ich galoppiere
durch die Wiesen, auf ein Loch im Metallgitterzaun zu --- und
bin wieder in Thüringen.
Durch Taleinschnitte
umreite ich Diedorf,
unterwegs spreche ich länger mit einem Kraftfahrer aus
Katharinenberg, dessen Urteil zur „Währungsunion“
(seit Mai 1990: Ersatz der DDR-Mark durch D-Mark) ziemlich
vernichtend ausfällt, und der eine Pferdepension aufmachen will
("für reiche Wessis“). Die einfachen Leute lassen sich weniger
für dumm verkaufen, als manche Politiker glauben…
Heute will ich draußen
übernachten, gleich wie das Wetter wird. Ich suche ein kleines
Bächlein mit trinkbarem Wasser und reite einen langen Weg in
einer kleinen Senke entlang, lasse Alex noch mal traben.
Schließlich erreiche ich den Fuß des Hainich-Gebirges, finde
dort gutes Wasser, und um kurz nach 8 abends – es dunkelt
bereits – bereite ich nach 62km Ritt(!) mein Lager auf
der Höhe oberhalb von Hallungen
und brate mir noch ein paar Würstchen zum Abendessen. Im
Hintergrund der Hainichwald - traumhafte Landschaft.
5.
Tag. Hanich, Werra, Rennsteig 42km Do, 6.9.1990
Die gestrige Etappe war
doch sehr lang geworden. Es ist nicht gut, abends bis acht zu
reiten, wenn man tagsüber nur eine lange Pause macht.
Ich halte mich selbst nicht an die von mir begründete Regel,
lieber 2x tagsüber länger Rast zu machen und nicht mehr als
sieben Stunden zu reiten. Aber so ist das nun mal leider, wenn
man irgendwohin möchte, dann reitet man länger. Das Pferd ist
aber nun sauer auf mich, ich merke es: beim Biwak im
Seulingswald wich er mir kaum vom Lager, steckte ständig seine
Nase zu mir und wieherte, heute morgen ist er mürrisch und müde.
Trotzdem geht das viele Kraftfutter weg wie nichts. Heute morgen habe ich
deswegen keine Eile mit dem Losreiten, genieße den Ausblick auf
das Dorf Hallungen, und rasiere mich in aller Ruhe.
Um ¼ vor 10 geht’s dann
los: Durch das verschlafene Dorf, dann hinauf auf den Hainich.
Ich führe. Es ist kühl, aber nicht regnerisch heute. Wie schon
in der Nacht. Dazu der Wind. Gutes Reitwetter.
Der Höhenzug auf dem
Hainich hat so seine Tücken. Er läuft nicht immer über die
Gipfel, sondern auch mal rechts und links davon. Manchmal denke
ich, ich hätte den Weg verpasst, weil es schon wieder bergab
geht. Zwischendurch sind Abschnitte ganz hart geschottert, und
Alex tritt vorsichtig auf als ob er unbeschlagen wäre. Dann
kommt ein fast zugewachsenes Stück, später schöner Feinschotter,
und ich trabe. Ständig beobachte ich den Kompass, und denke, nun
muss doch bald der Bogen nach Südosten kommen! Aber die Rose
zeigt beharrlich nach Süd –
Auf einmal eine
Straßeneinmüdung, direkt vor einem Taleinschnitt. Nun bin ich
aber falsch. Und wo ist diese verdammte Straße auf meiner alten
Karte? Rasch einen Weg nach Osten geritten! Aber, wie
merkwürdig, rechterhand ist ein Tal, das da nicht sein sollte.
Vielleicht bin ich schon viel zu weit hinausgetrabt. Dann kommt
ein fester Schotterweg, wohl die letzte Kategorie Landstraße der
DDR. Jetzt passt gar nichts mehr zusammen. Ich führe den
Schotterweg hinab. Irgendwo in der Nähe, wo ich hinwollte, werde
ich schon rauskommen. Dann kommt mir ein Barkas, einer der
hiesigen Kleinbusse entgegen. Ich halte den Fahrer an und frage
ihn nach dem letzten Ort. Ich erfahre dass es sich um die
Chaussee von Mihla nach Kammerforst handelt. Die ist auf meiner
alten Karte noch nicht drauf. Ich müsste genau an der Kreuzung
mit dem Hainich-Rennsteig sein, und so ist es auch: Forsthaus Reckenbühl
ist genau da wo von mir erwartet – will heißen, es war da, bevor
die Kommunisten es abgerissen haben. Hohe Bäume, ein
zugewucherter Hügel, Holztrümmer
- mehr ist nicht übrig. Ganz in der Nähe hat sich ein
zweites Forsthaus befunden, Ihlefeld. Ihm ist das gleiche wiederfahren. Ob es
wirklich abbruchreif gewesen ist? In den Trümmern liegen Reste
elektrischer Installationen. Zumindest gab es elektrisches
Licht.
Mihla, ein
industrialisierter Marktflecken im Werratal, erreiche ich um
13:40. Enorm viel Zeit hat mich der Hainich gekostet. Und dabei
wollte ich heute noch an den Eisenacher Rennsteig! Außerdem ist
das Pferd zäh geworden: treiben, treiben, treiben… Creuzburg erreiche
ich, über die Höhe kommend, um 3 Uhr nachmittags. Den
einfacheren Weg im Werratal umging ich, da diesen angeblich ein
Streinbruch versperrte, wie ich bei einem Schwatz mit zwei
Arbeitern in Mihla erfuhr.
An der 1223 erbauten, sehr trutzigen Werrabrücke (damals
schon verkehrsentlastet durch einen wenige Jahre zuvor
errichteten Neubau) mache ich eine Stunde Rast und lasse das
Pferd grasen. Die Stadt liegt recht malerisch hinter der Brücke
auf einem Hügel. Von der anderen Uferseite aus kann man das Schloss sehen.
Weiter geht’s wieder im
Werratal. Über ein völlig verwahrlosten Gutshof reite ich nach Spichra –schöner
kleiner Ort mit Wasserkraftwerk. Nächster Ort ist Hörschel, Beginn des
Rennsteigs, wo ich die Werra wieder verlasse. Schilder und
Tafeln tun den Rennsteig kund. Der lokale Rennsteigverein wurde
1896 gegründet ; gleichwohl durften die ersten 20km in den
letzten 40 Jahren nicht bewandert werden wegen der „Grenznähe“!
Nur 2/3 des Rennsteigs durften zur DDR-Zeit bewandert werden,
von Eisenach bis Schmiedefeld. Absurd!
Beim steilen Aufstieg
führe ich ein Stück, und genieße noch einmal den Blick hinab ins
Werratal. Der Wind bringt jetzt Regenwolken und Schauer, ich
sitze rasch wieder auf und reite die letzten Kilometer etwas
zügiger. Schon in Mihla hörte ich vom Haflingerhof Clausberg,
direkt am Rennsteig, mit einem Reittouristikbetrieb
wie es hier so schön heißt. Dort frage ich um ¼
vor 6 nach Unterkunft und habe Glück, dass der Stallmeister noch
nicht im Feierabend ist. Das Pferd bekommt eine Box, ich selbst
für preiswertes Geld ein Zimmer im einige 100m entfernten
Lehrlingswohnheim.
7. Tag
(6. Reittag) Rennsteig (2. Tag) 47km Sa, 8.9.1990
Gestern, am 6. Tag, habe
ich in Clausberg einen Ruhetag eingelegt. Alex stand tagsüber
auf der Weide, war müde, hat viel geschlafen und gefressen. Da
das Wetter schlecht war, habe ich nichts gemacht und bin auch
nicht wandern gewesen. Die Leute am Clausberg sind freundlich,
wenn auch etwas distanziert. Es wären schon mehrere Wanderreiter
hier gewesen. Der Stallmeister heißt Klaus und ist ein echter
Pferdemann von altem Schrot und Korn.
Am 7. Tag gehen wir wieder auf den Rennsteig. Um 20 nach 8
verabschieden wir uns und ziehen los. Das Wetter ist neblig,
aber so wie wir uns der Wartburg nähern, löst Sonne den Nebel
allmählich auf, und es ist herrlich über die Sandsteinwege zu
reiten. Der Weg führt ständig hinauf und hinab. Der Rennsteig
hat fast keine ebene Stelle. An der Wilden Sau zweige ich
zur Wartburg ab, die
ich auf verschlungenem Pfad um 10 vor 10 erreiche. Ein ganzes
Heer von Touristen belagert bereits die Burg und harrt der
Öffnung des Tores. Ich reite nach 10 Min. weiter. Ich reite
durch die Drachenschlucht (Anm: habe ich seither nicht wieder gemacht; keine
Ahnung ob man da noch reiten kann!) und bin um 11 Uhr
wieder zurück am Rennsteig, Station Hohe Sonne. Das
Jugendstil-Jagdschlösschen und ehemalige Rennsteig-Wirtschaft
ist 1990 schon seit ein paar Jahren geschlossen, aber noch in
besserem Zustand als 2015. Als wir 1990 vorbeikommen ist von
einem Haufe Nichtlaufenwollender Wanderer umgeben, da es seit
kurzem wieder nieselt. Wir sind daran aber schon gewöhnt und
reiten weiter.
Bis zur Bermerhütte ist der
Rennsteig ehemalige Chaussee und hart befestigt und stellenweise
übel ausgewaschen. Wir können nur stückchenweise traben. Dann
wird zum Glöckner hin der Weg etwas besser und längere
Abschnitte sind eben. An einer Stelle ein alter Wegweiserstein.
Häufig überholen wir Wanderer, einige davon sind mit großen
Rucksäcken unterwegs. Ein Ehepaar will den Rennsteig ganz
herunter laufen. An der Glasbachswiese
wird aus dem staubartigen Nieselregen ein übles Gepläster und
ich ziehe den Poncho an. Unweit von hier hatte ich vor zu
rasten, aber zuvor geht es noch auf den Gerberstein. Eine
ziemliche Kletterei, bei dem Mistwetter eigentlich überflüssig.
Um 10 nach 1 erreiche ich das Wirtshaus am Dreiherrenstein,
sattle dort ab, decke Alex ein und lasse ihn laufen. Er stürzt
sich förmlich auf das überall wachsende Gras und ich gehe essen.
Nach Kuchen und Kaffee sattle ich wieder, halte noch ein
Schwätzchen mit 7 Wanderern aus Königstein und reite um halb 4
weiter. ¾ Stunden später erreiche ich den Großen Inselsberg, mit
916m höher als der Feldberg im Taunus. Nun zum Beerberg weiter
führt der Weg steil hinauf, dann ist der Weg sehr schön. Weiter
über die Reitsteine, eine ganz hübsche Kletterpartie, dann geht
es wieder abwärts. Für eine kurze Zeit haben wir schönes Wetter,
und ich komme in beste Laune. Über den Trockenberg führt der Weg
recht schön, darauf folgt das einzige Beton- und Asphaltstück.
Zwischen Spießberghaus
und Pirschhaus ist
der Rennsteig traumhaft unausgebaut, oft in Parallelbahnen
führend, eine reine Naturstraße. Herrliche alte Bäume, krüpplige
Bergfichten und Eichen stehen hier. Dunkler Fichtenwald hat den
überwiegenden Buchenwald des Eisenacher Waldgebiets abgelöst.
Alte Grenzsteine stehen in Menge, einige sind 1606 datiert
(GW=Grafschaft Weimar?), andere zeigen ein S=Schmalkalden oder H
für Hessen. Weiter
über die Ebertswiese,
eine herrlich Hochweide. Hier ist der Rennsteig weich
geschottert und wir traben noch mal ein längeres Stück, dem
Tagesziel entgegen. Um 19:05 wird, unweit des Gabelskopfes, eine
Weide im Fichtenwald unser Lager für heute. Ich esse noch einmal
eine warme Mahlzeit und das Pferd wird gut eingedeckt und mit
Hafer abgefüttert. Später regnet es wieder. Noch ein Regenbiwak.
8. Tag (7. Reittag) Rennsteig, 3. Tag,
Wasungen 53km So, 9.9.1990
Heute ist unser dritter
(und letzter) Rennsteig-Tag. Wie von mir erträumt und auch
erwartet: Ein toller Weg zum Reiten, endlos lange Wege. Für mich
eine ideale Wanderreitstrecke Mitteleuropas, und vielleicht
reite ich sie irgendwann in der Verlängerung von Kassel nach
Wien…
Ich reite um halb 10 los.
Gleich zu Anfang ein harter Anstieg, der uns endgültig wach und
auch warm werden lässt. Heute ist es kühl und windig. Eigentlich
hatte ich vor, an der Neuhofswiese
den Rennsteig zu verlassen, aber nun beschließe ich, ihm doch
noch ein Stück weit, bis zum Grenzadler (der Grenze
zwischen Suhl und Schmalkalden) zu folgen und wieder mal einen
kleinen Umweg zu machen. 9,3km Entfernung meldet der Wegweiser,
eine ganz schöne Strecke. Aber das Geläuf ist sehr gut,
wenngleich sich Löcher in große Seen verwandelt haben. Später
kommen immer wieder mal geschotterte Abschnitte. Erst geht es
durch jungen Fichtenwald, dann durch älteren, der sehr
angegriffen wirkt vom sauren Regen, oder in dieser exponierten
Höhenlage über 800m vielleicht ohnehin schlecht gedeiht. Zuletzt
führt der Weg über karstige Hochweiden. Um 11 Uhr erreichen wir
den Grenzadler und das große DDR-Skizentrum. Ich mache an einem
Imbiß rund 10 Min. Rast und trinke Glühwein. 12 Grad zeigt das
Thermometer immerhin, der Wind lässt es kälter erscheinen. Dann
reite ich den gleichen Weg ein Stück weit zurück und verlasse
den Rennsteig nach Westen in Richtung Rotterode. Der erste
Ort den ich seit 3 Tagen passiere. Auf der Höhe am Schnittpunkt
zweier Täler mache ich um ¼ nach 1 Mittag. Das Pferd hat gutes
Gras, ich esse nichts, weil das Brot noch bis morgen reichen
muss. Um 20 nach 3 reite ich weiter. In Mittelstille, was ich
um kurz vor 4 erreiche, besorge ich Hafer. Ein alter Mann, der
fünf Kaltblüter für den Forst hält(!), hat welchen.
Jetzt geht es durch den
großen Wasunger Forst. Ich merke wieder dass die
DDR-Wanderkarte, nach der ich seit dem Rennsteig reite, ziemlich
übel ist. Nicht nur sind die Wegesrichtungen viel zu grob
dargestellt, es fehlen auch zuviele Wege, und die
Geländedarstellung (40m-Höhenlinien) ist zu stark vereinfacht.
So reite ich einige überflüssige Umwege. Auch die meisten
Wanderwege sind nicht verzeichnet - viele davon sind allerdings
auch ganz frisch angelegt. Trotz der Schwierigkeiten mit der
Orientierung sind die Wege zum reiten wunderbar – fast nur
Natur-/Sandstein-Wege. Zudem habe ich als Ergänzung die "Karte
des Deutschen Reichs" als Kopie dabei, von 1:100.000 auf
1:50.000 vegrößert und topografisch genauer als die DDR-Karten.
Soviel hat sich seit 1945 dann doch nicht geändert.
Um ¼ nach 6 erreiche die
etwas heruntergekommen wirkende Stadt Wasungen und überschreite
hier die Werra, zum letzten Mal auf diesem Ritt, westwärts. Alex
ist jetzt doch faul geworden, in Wasungen hat er keine Lust
mehr. Ich will aber nicht im belebten Werratal bleiben, sondern
noch über die nächste Waldhöhe. Im Schwarzenbachtal
finden wir nach einigem Suchen um 20 nach 7 einen geeigneten
Lagerplatz. Ich mache auch noch ein Feuer, aber mein Pferd ist
sauer geworden und verweigert das Futter. Bis zum Morgen frisst
er dann doch die Hälfte seiner sonstigen Ration.
9. Tag
(8. Reittag). Thüringische
Rhön (45km) Mo, 10.9.1990
Um halb 10 sind wir wieder
unterwegs, Richtung Hohe Rhön. Der Weg führt aus dem
romantischen Schwarzenbachtal herauf, einen alten, stellenweise
recht zugewachsenen Weg. Um 20 nach 10 kommen wir bei Friedelshausen
vorüber, wo ich durch das LPG-Gelände reite: Total verfallene
Gebäude, überall Schutt und Gestrüpp, Sumpflöcher sind die Wege,
im Regen stehende Geräte, das Heu liegt halb im Freien. Ich
wundere mich nicht wenn die Hälfte dieser Läden schließen muss.
Ich will über den Roßberg
und finde auch gleich den richtigen Aufstieg. Nebel wallt den
Berg hinunter und unaufhörlich fällt feiner Regen. Abwechselnd
geht es durch Wald und Hochweide. Ein Weg den man gerade
befestigt, führt vom Sommertal hinab ins Feldatal. Das letzte
Stück nach Neidhardshausen
ist wieder wunderbar unbefestigt und gut zu reiten. In Serpentinen
schlängelt sich der Weg herunter, am Taufstein vorbei. Den Ort
erreiche ich um 12 Uhr und finde Gelegenheit zu einkaufen. Der
Regen ist ziemlich schlimm geworden. Zella – ein altes
Stiftsgut mit Barockkirche, eine halbe Stunde später. Nun steigt
das Gelände stark an, wir kommen auf die Strecke wo ich im April
schon mit Doris heimzu geritten bin. Auch das Wetter ist
ähnlich: Wind und Regen. Ich halte mich dicht an der Grenze und
benutze den Grenzfahrweg. Am Hoflar steht ein Wachturm; hier
mache ich um 10 vor 2 Mittagsrast. Ich gehe hole Wasser (dazu
gehe ich „nach drüben“ in den Westen) und koche mir ein Süppchen
was mir bei der Kälte vorzüglich mundet.
Nach 2 Std. Pause geht es
weiter – immer der Höhe nach, Südkurs. Wo das schöne Wetter ist.
Am Ellenbogen finde ich schon Markierungen des Rhönklubs, und
für einen Moment werden Regen und Wind etwas weniger. Ich reite
strikt nach Kompass, komme an einem Einzelgehöft vorbei und
erreiche um halb sechs Frankenheim,
kaufe dort noch ein Brot. Rings um den Ort stehen die Zäune,
alle Wege sind versperrt, irgendwie hat die neue Zeit noch nicht
Einzug gehalten. Heute muß ich wohl ein halbes Dutzend
Zaundrähte kappen, das wichtigste Utensil für DDR-Ritte scheint
eine abisolierte Zange zu sein (Anm: Seit etwa zehn Jahren
ist das zum Glück nicht mehr so)
10. Tag (9. Reittag) Hessische Rhön 38km Di, 11.9.1990
Am anderen Morgen ist das
Wetter so trostlos wie zuvor, es regnet noch immer. Meine
Quartiersleute sind sehr nett und ich verspreche ihnen ein Foto
zu schicken. Um ¼ vor 10 erst breche ich auf und mache mich auf
den steilen Anstieg zur Wasserkuppe. Der feste Weg führt in
Serpentinen den Ehrenberg hinauf. Als ich ihn verlassen will,
muss ich feststellen dass dergleichen in diesem Forst nicht
vorgesehen ist. Sämtliche, nicht mehr so ganz junge Baumbestände
sind eingezäunt und die Wege abgesperrt. Was ich besonders
„schätze“ sind Zäune die auf der einen Seite ein Tor haben, und
wenn man dann 2km weit geritten ist, gibt es auf der anderen
Seite keins. Aber auch ständiges Absteigen und Zaun-Abfummeln –
von einem Toröffnen was man auch vom Pferd aus erledigen könnte,
kann meist keine Rede sein - ist bei diesem Wetter höchst
lästig.
Wir müssen über den
Schafstein der mit üblen Basaltblöcken übersäht ist über die
Alex klettern muss. Wanderer kommen entgegen, sie bestärken mich
in der Meinung auf dem richtigen Weg zu sein. Einer sieht mich,
gehüllt in Bundeswehr-Ponchos und fragt:
„Sind Sie von den
Gebirgstruppen?“ – „Ja, von der berittenen Einheit. Wir sind
sehr geländegängig, wissen Sie? Im harten Gelände besser als die
Kraftmelder“ – „Und wie lautet Ihr Auftrag?“ – „Den Weg zur
Wasserkuppe zu finden“ – „Da sind Sie richtig. In den
Westernfilmen sieht man immer, dass das Gold in solchen Taschen
transportiert wird. Haben Sie da auch was drin?“ – „Richtig, in
den Satteltaschen ist die Löhnung der Einheit auf der
Wasserkuppe“ – „Das muss ja ein schöner Dienst sein. Kein
Appell… und im Rang eines Obersts?“ – „Rittmeisters, heißt das
bei uns“
Um halb 12 ist die Wasserkuppe erreicht,
Hessens höchster Berg. An einem Imbiß mache ich ½ Std. Stop. Als
ich zum Guckai reite beginnt sich der Nebel zu verziehen, und
endlich sieht man mal was von der Gegen wo man reitet. An
einigen Einzelgehöften geht es vorbei, für die die Hessische
Rhön so typisch ist. Leider sind die Wege meist ziemlich fest.
Um kurz nach 1 mittags erreiche ich die Ebersburg und mache an
der dortigen Schutzhütte Mittagsrast bis um 3.
Der Weg führt noch ein
Stück auf der Höhe der Fulda entlang. Nachdem das Wetter jetzt
zwei Stunden recht annehmbar war, geht, als ich in den Wald nach
Schmalnau komme, ein
derart übles Gepläster los, dass selbst die Ponchos nicht viel
helfen. Nass und übelgelaunt erreiche ich um halb 5 das
Fuldatal. Bis Motten will ich heute noch. Der Weg führt parallel
zum Döllautal. Noch immer regnet es, aber man sieht jetzt Stücke
blauen Himmels. Noch einmal geht es durch Wald, gute Wege, aber
auch viel Windbruch. Um 6 abends erreiche ich Motten, frage dort
zweimal erfolglos um Quartier, und beschließe da sich das Wetter
nun doch bessert, draußen zu übernachten. Ich reite das Tal
hinauf bis fast zum amerikanischen Truppenübungsplatz, und
biwakiere auf einer idyllischen Waldwiese mit gutem Gras, nach
einem Tagesritt von 7 Std 10 Min.
11. Tag (10. Reittag) Bayrische Rhön 42km Mi, 12.9.1990
In der Nacht illuminieren
die Amerikaner den Himmel über uns mit Leuchtraketen, und als
ich nochmal ins Dorf gehe zum telefonieren, habe ich so kein
Problem den Rückweg zu finden. Sogar der Pferd ist
neugierig-interessiert am Schauspiel. Und ich bin froh, dass ich
mich „jenseits“ der Truppenübungsplatzgrenze gehalten habe,
obwohl die Versuchung, durch die verbotene „Dammersfelder
Rhön“ (kürzeste Nord-Süd-Verbindung über die Rhön) zu
reiten groß ist.
Erst um 5 vor 10 starte
ich heute, und verlasse damit die Gegend wo die Rhön 1936 „der
Zorn des Herrn traf“. Seit dieser Zeit besteht der viele
Quadratkilometer große Übungsplatz, dem viele Rhöndörfer zum
Opfer gefallen sind.
Anmerkung: Die
Amerikaner ziehen wenig später ab und überlassen das Gelände
der Deutschen Bundeswehr, die es weit weniger intensiv
nutzt. Ich habe seither die Dammersfelder Rhön zweimal zu
Pferd überquert, 2001 und 2014, an Wochenenden. Erwischen
lassen sollte man sich nicht, und ein gutes schnelles Pferd
haben, um sich durch unwegsames Gelände absetzen zu können.
Südlich um Motten herum, auf der
Höhe reitend, sehe ich wie man die alte Bahn der Chaussee nach
Fulda teert, neben der neuen Straßenführung die natürlich schon
asphaltiert ist, was mich nicht gerade zufrieden macht. Steil
führt der Weg auf die Haube, und ich führe. Ausgehend von einem
alten Kahlschlag haben die Winterstürme dort mehrere hundert
Meter alten Buchenwaldes niedergeworfen. Doch das bleibt der
einzige größere Windbruch der uns zu Umwegen zwingt. Wir ziehen,
wieder einmal, entlang der hessisch-bayrischen Grenze. Große
Grenzsteine künden hiervon. Rechts und links ein herrlich
geführter Forst. Schöne natürlich Verjüngungen, Buchen wie
Fichten, und das alles ohne Zäune. Die Sturmschäden fast
aufgearbeitet, ohne Spuren auf den gepflegten unbefestigten
Wegen hinterlassen zu haben – tadellos!
Ich überquere die
Rhön-Autobahn, und die Höhe südlich von Heubach. Noch einmal
muss Alex einen Berg hinauf. Am Weiler Sparhof mache ich von
12 bis um 1 Mittag und gehe essen. Das Pferd steht nebenbei auf
einem Wiesenstück, heute unabgesattelt.
Wunderschöne, mit
silbrigen Eichenbrettern beschlagene Bauernhäuser sind typisch
für diese Region. An zwei besonders prachtvolle Exemplaren komme
ich hier vorbei (Anm.: sie
sind einige Jahre später abgerissen) Nun geht es im
flotten Trab auf herrlich unbefestigten Wegen über den
Fuldischen Landrücken. Mittlerweile ist, man glaubt es kaum, die
Sonne herausgekommen und es wird sehr warm!
Die Mittagsruhe störe ich
im Dorfe Hutten.
Kein Mensch zu sehen. Über schöne, teils ausgelassene Weiden und
durch einen abenteuerlichen Wald reite ich zur Burg Brandenstein,
die ich um 20 vor 3 erreiche. Anschließend will ich durchs
Schwarzbachtal, um in Vollmerz
Futter zu besorgen und, wenn möglich, Lebensmittel. Aber, oh
Grauss, es gibt hier kein einziges Lädchen mehr. Immerhin
bekomme ich 7kg Kraftfutter bei einem Pferdebesitzer. Über einen
Teerweg reite ich einen Ort zurück, nach Herolz, wo ich alles
bekomme.
Nun geht es auf den
Spessart. Rund um Ahlersbach
macht mir der Weg keine Freude. Zuerst mit Gestrüpp zugewachsen,
und ich haue ihn mit der mitgenommenen Machete frei, dann ist
dreisterweise ein Zaun hinübergezogen. Aber das folgende Stück
geht herrlich durch die Heide – hier könnte man mit einem ganzen
Trupp Pferde Rast halten, eine schöne Gegend. Für uns ist es
aber noch etwas zu früh um den Marsch zu beenden; ich will noch
ein Stück weiter die Höhe hinauf. Alex, der zwischendurch mal
nicht so gut lief, zieht jetzt wieder fleißig vorwärts, guckt
sich jede Wiese an, weil er weiß dass er bald sein Futter
bekommt.
Noch einmal ein Waldgebiet
mit vielen Zäunen die sogar teilweise eingewachsen am Boden
liegen – schlampiges Forstamt! Dann reite ich ins Rohrbachtal hinab, das
ich um 10 vor 7 erreiche. Ein Nebental der Jossa. Und hier
schlage ich mein Lager im Herzen des Spessart auf, mache ein
schönes Lagerfeuer und grille, und das Pferd bekommt den Hafer.
12. Tag (11. Reittag) Spessart-Runde 40,5km Do, 13.9.1990
Am Morgen fache ich das
Feuer nochmal an und koche Kaffee. Ich will auf die Alte Weinstraße, den
Höhenweg nach Jossa. Um ¼ nach 9 bin ich wieder unterwegs,
dichter Nebel umgibt uns, es ist noch kühl, aber die Sonne
versucht bereits durchzukommen. Der Weg vom Bellingser Kreuz her
ist recht gut, und damit auch meine Laune. Die alte Wagenstraße
ist am Eulerskopf völlig versperrt, aber der Fahrweg nebendran
lässt sich gut reiten. Überhaupt ist der Höhenweg recht
schwierig, fast nur Schritt kann ich gehen, überall liegen Bäume
quer, der Weg ist ausgefahren, und die Sumpflöcher haben bereits
Form und Aussehen kleiner Teiche.
Überwiegend geht es aber durch schöne Buchenbestände. (Anm.: Als ich im Jahr
2014 mit Khorsheet wieder hier reite, ist der Zustand noch,
oder schon wieder, recht genau derselbe)
Um 11 erreiche ich, einen
herrlichen Heideweg ins Dorf hinab reitend, Jossa. Am Bäckerauto,
das ich zufällig treffe, kaufe ich phantastisch schmeckendes
Brot und das Pferd bekommt zwei Brötchen geschenkt. Und auch
eine Metzgerei liegt auf dem Weg. Weiter geht es durch den
Sinngrund über einen Fußweg. Hier ist ein Naturschutzgebiet,
obwohl es wie eine normale Futterwiese ausschaut. "Alles" ist
verboten außer Landwirtschaftlichem Verkehr. Aber eine große
Baustelle. So ein Unsinn (Die ICE Neubaustrecke
war damals schon fertig)
Über die Diitenbrunner
Höhe reitend (sehr steil und hart) erreiche ich Obersinn, wieder zu
Bayern gehörend. Die Wege im Feld sind sämtlich geteert, und als
ich hinausreiten will und einen schönen, steilen Weg zum
Steinköppel hinauf finde, hat man ihn als Schuttablage- und
Lagerplatz für irgendwelchen Müll missbraucht, und weiter oben
eingekoppelt. So macht mir der Weg nach Emmerichsthal wenig
Freude. Im Wald ist der Weg zwar schön, aber die Fichten und
Lärchen haben sich bei den jüngsten Stürmen nicht standhaft
bewährt, namentlich Lärchen liegen viel im Weg und sind am Hang
nur schwierig und kraftraubend zu umgehen.
In ganz von Wald umgebenen
Emmerichsthal, einem
wunderschönen Weiler, verkauft mir der freundliche Wirt des
Dorfgasthofs 5kg Gerste, Hafer hat er nicht. Unweit davon mache
ich auf einer schönen Wiese um 5 nach 2 Mittag. Genau 2 Stunden
später breche ich wieder auf, in Richtung Burgjoss. Der Weg
dorthin ist recht steil und stellenweise mit altem Steinpflaster
beschlagen, was heute natürlich ausgewaschen ist. Der Höhenweg
dagegen ist gut, wir traben flott dahin durch schönen jungen
Eichenwald. Alex kann noch etwas Kondition zulegen für den
Distanzritt Rodgau-Post in knapp 10 Tagen (er wird dort die 85km in
7:08 Stunden in der Wertung laufen) .
Um kurz nach 5 erreichen
wir Burgjoss. Der
Aufstieg zum Orber Reisig zieht sich lang hin, ist aber recht
gut zu reiten, obwohl es auch hier Windbruch gibt. Den Weg quer
übers Orber Reisig, den alten Hessenweg nach dem Stift Fulda
finde ich auch diesmal nicht; in Hundsthal habe ich
nicht viel Glück mit den Wegen. Auch viele neue Zäune ärgern
mich, vielleicht kommt man westlich der neuen Chaussee besser
hin.
Der feste Weg führt an
einem Militärgelände entlang das im Wald verborgen steckt (nur
Schilder künden davon). Mitten auf einer Wegeskreuzung fünf
Förstergräber mit Gedenkstein aus dem letzten Jahrhundert. Wenn
die gewusst hätten, was für Maschinen-Ungetüme heute über ihre
verblichenen Gebeine dahinrollen, hätten sie vielleicht doch den
stillen Dorffriedhof bevorzugt…
Um 5 nach 7 mache ich Halt
in den Rohrbachswiesen,
altem Weidegrund, und beende hier die heutige Tagesetappe. Ein
Feuerchen mache ich zunächst nicht, weil ich 200m weiter einen
Jäger auf seinem Hochsitz bemerke. Aber als es dunkel wird,
grille ich doch noch gemütlich, und der Jäger bemerkt entweder
nichts oder ist schon gegangen.
13. Tag (12. Reittag) Büdinger Hügelland 52km Fr, 14.9.1990
Am nächsten Morgen ist es
bitterkalt, die Wiese ist mit Rauhreif bedeckt und man spürt den
nahen Herbst. Ich wusste schon warum ich mein Lager geschützt
unter Bäumen an einer alten Steineinfriedung aufgeschlagen
hatte. Alex hat die Gerste zu meinem Erstaunen ganz aufgefressen
(zuhause mag er keine). Um 5 vor 9 bin ich bereits unterwegs.
Der Weg zum Eisenkopf ist total versperrt, und für einen
Kilometer Weg brauche ich eine halbe Stunde. So ein Ärger am
frühen Morgen.
Wir traben flott ins
Kinzigtal hinunter, zwischen Steinau und Salmünster, erreichen
es schon um 10 Uhr, über die Bundesstraße, und dann trifft mich
fast der Schlag: Der Weg durch die Auen ist „Betriebsgelände“
der Kinzigtalsee-Gesellschaft
. Reiten verboten, ein breites verschlossenes Tor, ein
Fußgänger-Drehkreuz, dichter Zaun! Soll man etwa einen Umweg
durch Steinau und das Industriegebiet nehmen?? -- So geht das
nicht. Der Zaun wird flugs vom Tor abgewickelt, und dann passt
auch ein Pferd vorbei.
Das vielbefahrene
Kinzigtal gleich verlassend, geht es im Ulmbachtal hinauf. Der
Weg ist recht abenteuerlich, ständig muss man Zauntore öffnen
und hinter sich wieder schließen, und weiter oben halte ich
einen Schwatz mit einem Bauern. Dann geht es durch ehemaligen
Wald, jetzt fast kahlgeschlagen, ein Opfer der Stürme.
Um 12 bin ich an der Baiersmühle, ein
Asphaltweg führt hinauf. Es ist warm geworden und die Sonne
brennt, als wir über die Höhe nach Untersotzbach traben.
Dort will ich – schon wieder, aber zum letzten Mal auf diesem
Ritt – einkaufen, ein Bauer spricht mich an, wir unterhalten
uns, und er verkauft mir Hafer. Alex frisst frisches Grünfutter,
und dann geht‘s weiter. Um kurz nach 1 mittags erreichen wir das
Reichenbachtal am Neuhäuser
Weiher, und hier mache ich Mittag. Fast zweieinhalb
Stunden bleibe ich hier, kann mich nicht überwinden wieder
aufzubrechen. Stattdessen studiere ich die Karten und messe aus,
wieviel ich bisher geritten bin, und komme auf 490km in 12
Tagen. Das ist ganz schön was. Viel mehr könnte mein Pferd nicht
leisten, ich merke das. Er legt sich nicht bloß abends, sondern
auch morgens nach dem Füttern und sogar in der Mittagspause hin
– heute lässt er sich in der prallen Sonnenglut in den
Tiefschlaf fallen…
So lasse ich ihn ausruhen
und reite erst um kurz vor halb 4 weiter. Die Sonne brennt, und
gnadenlos geht es immer weiter, im Trabe über die Höhen. Ich
hätte gar nicht gedacht dass die Gegend hier so hügelig ist,
aber der Name „Büdinger Hügelland“ muß wohl irgendwoher kommen.
Um 10 vor 5 überschreite ich nahe Kefenrod den
Semenbach. Auch der herrliche Büdinger Forst, seit
meinem ersten Vogelsbergritt im Mai 1986 in bester Erinnerung,
hatte schwer unter dem Sturm zu leiden. Der erste Teil des Weges
ist noch frei, dann muss ich mit der Machete – ich gebrauche sie
heute mehrmals! - das Geäst einer Fichte abhacken damit Alex
hinübersteigen kann. Später, wo ein ganzer Waldhang umgefallen
ist, muss ich doch auf die Höhe zur Straße. Alex ist durch die
ganze Kletterei ziemlich strapaziert. In Dudenrod will er
eigentlich nicht mehr weiter. Ich kann ihn gut verstehen. Es ist
auch schon nach 6 Uhr. Aber erst will ich diesen Forst noch
hinter mich bringen.
In Aulendiebach, dem
nächsten Ort, ist er dann wieder besser drauf, und so beschließe
ich noch ein kurzes Stück zu machen, nämlich bis zur Glauburg.
Damit wäre mein Plan für heute erfüllt. Da es dort oben keinen
Bach gibt, frage ich einen Bauern um Wasser für das Pferd, nehme
auch selbst etwas mit. Die Leute sind sehr nett. Noch 4 ½ km zu
reiten, leicht ansteigend, keine Hindernisse mehr. Noch nie habe
ich mich auf meinen Ritten auf die flache Wetterau gefreut,
heute ist es das erste Mal. Lange erholsame Trabwege ohne
umgefallene Bäume, keine abgezäunten oder zugewachsene Wege, wie
ich das heute zuhauf erlebt habe. Um 8 abends erreichen wir die
Hochfläche der Glauburg. Seit der Jungsteinzeit bis zum 14.
Jahrhundert gab es hier eine feste Siedlung. Fliehburg in
Notzeiten, Stadt in alemannischer Zeit, Königshof unter den
Merowingern, Amtssitz bei den Staufern, erst dann wurden die
Zeiten ruhiger und weniger kriegerisch, die Leute siedelten ab
ins Tal wo ihre Äcker lagen. Es wurde ihnen auf dem steilen Berg
mit seiner schlechten Wasserversorgung zu mühsam.
Keinen besseren Platz zum
biwakieren hat die Wetterau als diesen. Alex wird frei grasen
gelassen (recht kurzes Gras hier), ich entfache ein großes
Feuer, grille noch ein letztes Mal auf diesem Ritt. 52km sind
wir heute geritten. Alex
nutzt die Freiheit und macht sich ein Stückchen davon, ist
offenbar sauer. Ich spanne doch noch das Laufseil.
14. Tag (13. Reittag) Wetterau bis Rosbach 34km Sa, 15.9.1990
Heute morgen ist das Pferd
immer noch sauer auf mich, aber klare Beine, kein Anlass zur
Sorge. Sein Futter hat er nicht ganz aufgefressen und teilweise
verscharrt, dafür gibt’s auch Schimpfe, ich lasse ihn etwas
länger grasen. Es besteht kein Grund zur Eile, ich will bloß
noch nach Rosbach am Taunus, zwei Meßtischblätter weit ohne
Berge auf der Strecke. Dagmar hat angeboten mich von dort
heimzufahren. Um kurz vor 11 sitze ich auf, umrunde noch einmal
die Burg, schwätze mit einem Mann, der hier samstags
Maurerarbeiten an der alten Burgmauer durchführen will, und
verlasse den Glauberg um 11 Uhr.
Ich nehme die Wasserscheide zwischen Nidda und Nidder als
grobe Richtschnur für meinen Weg. Hier gibt es auch einige
Waldstücke aber ohne umgefallenes Holz zum Glück. Eine alte römische Hofstelle
schaue ich mir an, dann geht es über den Reuterweg weiter.
Selbiger ist, na wen wundert’s?, an einer Stelle in einen
gemeinen Rübenacker verwandelt, was mich aber nicht anficht.
Das auf der Karte
verzeichnete, an einer Straßenkreuzung gelegene Wirtshaus (Whs.
abgekürzt) entpuppt sich leider als erst abends geöffnetes
zwielichtiges Etablissement. Auch im nächsten Ort finde ich
keine Gastwirtschaft, und so reite ich weiter. Aber am Waldrand
nach Gräfenrode gibt
es eine schöne Wiese mit einigen Obstbäumen, und hier mache ich
um kurz vor 2 Mittag. Nach zwei Stunden geht es weiter, und um
halb sieben abends kommen wir schließlich etwas außerhalb des
Orts Rosbach an dem Hof an, wo Dagmar ihr Pferd eingestellt hat.
Dort geht gerade eine kleine Reiterrallye zuende. Alex kommt
noch zu einer kleinen Pause, dann fährt uns Dagmar nach Hause.